Logo von Freunde des Punk. Ein Totenkopf mit grünem Iro, von Stacheldraht umrandet

Sprung ins Leere

Ist das Kunst – oder kann das weg?

Nein. Das ist Punk. Aus Berlin. Das bleibt da. Düster, orientiert am Deutschpunk der 80ger, mit ein bisschen Razzia, Toxoplasma, Pascow und Wipers. Für die besondere Atmosphäre sorgen Synthesizer und für den Namen stand unter anderem der Künstler Yves Klein Pate.

Der Performancekünstler sorgte 1960 für einen der ersten dargestellten Fakes der Kunstgeschichte. Er ließ sich bei einem Sprung aus einem Fenster – scheinbar ins Nichts – fotografieren. Also, ganz ehrlich, rein physikalisch sieht das nach einem fiesen Frontal-Knall auf Asphalt aus… Es war damals ein großes Rätsel, wie er das hinbekommen hat.

Doch wir erzählen erstmal, wie Mik und Chris denn die Bandgründung von Sprung ins Leere hinbekommen haben. Easy! Die beiden haben sich Anfang 2023 auf einer Kontaktbörse für Musiker gefunden und es wurden Songs im Homestudio geschrieben, produziert, hin und her geworfen, dann und wann mal mit programmierten Drums geprobt.

Der Bandname war schnell gefunden. Da gab es nämlich diesen Song der Band Omicidio auf dem “Hamburg 88” Sampler, den Chris großartig findet. Und dann noch diese erwähnte Sache mit diesem Fake-Sprung ins Leere. „So oder so, der Name ist geil und passt zu uns!“ sagen die Jungs.

Nach einer ersten Show im Oktober 2024 und der Veröffentlichung von “Radio Dystopia” haben die zwei dann Reimer kennengelernt. Der Wahlberliner ist das Tier am Schlagzeug, das den treibenden und packenden Songs noch das i-Tüpfelchen aufsetzt. SiL: „Die beiden ersten Konzerte zu dritt waren heftig geil. Technisch ist das nicht so einfach für nen Drummer, da die Synths nun mal vom Band kommen!“ Aber genau diese machen den Sound sehr besonders. Klar haben die Jungs auch einige auflockernde 😉 Pogohits im Repertoire. Die Songs sind mitunter sehr persönlich; greifen aber auch gesellschaftlich und politisch relevante Themen, sprich die Weltlage auf.

Die 3 Kunstspringer:

Chris: Von Anfang an dabei, spiele Gitarre, singe und programmiere Synths. Ja, ich mach Musik seit … schon immer irgendwie… Während der Pandemie hab ich mich mit Synthesizern beschäftigt. Weil ich ein Fable für Goth und so habe, war es spannend, das alles mit Miks Punk und auch Reimers Drums zusammenzubringen. Spannend, aber auch besonders, denk ich.

Reimer: Ich sprang 2024 ins Leere, spiele seit meinem 12. Lebensjahr Schlagzeug und meine Vorbilder sind Dave Lombardo und Krischan von Restmensch. Meine Wurzeln liegen in Hamburg, wo ich mit Punkrock groß geworden bin. Berlin und Hamburg sind meine Städte.

Mik: Ich bin der Bassist, auch Sänger, Gründungsmitglied und Songschreiber. Ich würde mich als den ruhigeren Pol beschreiben, der aber den anderen manchmal mit infantilen Sprüchen auf die Nüsse geht…(Chris: Mik ist nicht nur ein top Bassist, sondern auch ein geiler Bandkollege, der coole Songs schreibt und bei dem ganzen Scheiß ne Positivität verbreitet, die mir verdammt gut tut!)

Radio Dystopia

Chris: Unser Debütalbum ist in Eigenregie entstanden: Produktion, Mix, Master, alles selbst gemacht. Mit diesem Ergebnis können wir uns super identifizieren. Die Ideen zum Cover stammen von Mik und mir. Ich hab Design & Print mal gelernt und nicht soo viel verlernt, wie ich dachte. Außerdem ist meine Freundin Grafikdesignerin und da hole ich mir auch mal Rat, den sie dankenswerterweise gerne gibt. Reimer war noch nicht dabei, dadurch sind die Drums noch programmiert. Wir haben uns Zeit gelassen, die 8 Songs rauszubringen. Aber es hat auch richtig viel Spaß gemacht, insofern – jeden Moment wert. Wir schreiben fiktiv, autobiografisch, mit oder ohne Maske, wie es uns eben genau für den Song gut erscheint. Mik: Wir folgen da eher einer Intuition, als dass wir Songs vorher an einer Stimmung von außen planen. Chris: Tatsächlich haben wir einen Kompromiss gemacht: Nach Gesprächen mit verschiedenen Leuten haben wir in “ADACression” die Perspektive gewechselt und singen nun in statt in einer ironisch gemeinten Ich-Form mit einer Ihr-Ansprache. Traurig, aber ein gewisses Ironie-Verständnis kann man nicht immer voraussetzen. Ich wollte keinesfalls ne Hymne für Klimakleberhasser spielen, selbst wenn die einfach nur zu dämlich für Ironie sind.

FdP: Gibt es einen roten Faden, der sich durch die Stücke zieht? Mik: Im Album kann man durchgängig die düstere, dystopische Stimmung wahrnehmen. Es wird auf Missstände in der Gesellschaft hingewiesen – sicher eine Gratwanderung („der erhobene Zeigefinger“). Allerdings habe ich mit Blick auf die rasante gesellschaftliche Negativentwicklung das Gefühl, man müsse sich deutlicher positionieren. Das tut die Gegenseite auch und man muss dagegenhalten! Wer schweigt, gibt denen einen Raum. Es ist wichtig, dass andere einen sehen und hören, um so allen Mut zu machen, laut und sichtbar für die gute Sache zu werden. Die Zeit fürs Abwarten und Zugucken ist vorbei! Chris: Gerade beim Thema Klimawandel und hinsichtlich der Entwicklungen mit Musk und Trump etc. erschien uns “Radio Dystopia” einfach nur konsequent und passend. Nebenbei klingt das ja auch ganz sexy ;-)!

FdP: Was ist die wichtigste Textzeile, die ihr je geschrieben habt? Reimer: Oh, Sekunde, das ist bestimmt der DHL-Mann … <steht auf und geht> … Chris: Hääh?!! <steht auf und geht>

Die Schreiberline sitzt verlegen im Wohnzimmer, rutscht ein wenig tiefer ins geblümte Sofa und nippt am Eierlikör. Man kann hören, wie der Kopf qualmt und sie hat komplett das Konzept verloren. „ÄHMMM… Sollen wir einen Textauszug veröffentlichen?“ Das einzige verbliebene Bandmitglied, Mik, sieht sie verständnisvoll an. „Wenn wir uns für einen Auszug entscheiden müssen, dann würden wir diesen wählen, weil der sehr gut zusammenfasst, was grade da draussen abgeht“:

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“Wirtschaft gegen Klima - Finanzen gegen Schutz
Die Folgen auf der ganzen Welt sind klar
Eingeigelt in nem Bunker aus Aktien gebaut
Und draußen läuft der Untergang - jahaaaaaa”

(aus: Wo Hoffnung stirbt)

FdP: Wer hat Euch beeinflusst / tut es noch? Chris: Razzia, Wipers, The Cure, Toxoplasma, DAF, Torpedo Moskau, Fliehende Stürme, I Walk The Line (die Finnen), New Model Army, Spermbirds, Angeschissen, … Bestes Konzert: The Cure 2014 in der Royal Albert Hall, diverse Punkkonzerte im Balthes, Ravensburg. Reimer: Razzia, Pink Floyd, Dead Kennedys, Spermbirds, The Cure, Slayer, New Model Army, NOFX, Helmet, Deftones, Mastadon, Converge, Dillinger Escape Plan, Dackelblut …. Bestes Konzert: Spermbirds im Störtebecker, Hamburg. Mik: Ich wurde sehr früh beeinflusst durch insbesondere deutschsprachige Lieder/Bands z. B. der Neuen Deutschen Welle, Ärzte, Toten Hosen. Aber auch die frühen Guns N‘ Roses, die Mitte/Ende der 80er noch in Richtung Punkrock tendierten, prägten meine Leidenschaft für energiegeladene Konzerte. Duff McKagan mit seiner Punkattitüde und prägendem Bassspiel hat meine anhaltende Liebe dazu eingeleitet.

FdP: Wie kommt ihr dazu, in einer Punkrock-Kapelle spielen – oder sogar in mehreren? Chris: Ein Nachbar war so ein „Autonomer“ und der hat mir zum 8. Geburtstag ne Kassette aufgenommen. Auf der einen Seite „Opelgang“ von den Hosen, auf der anderen „Welch ein Land! – Was für Männer:“ von Extrabreit. Ohne die sexuell impliziten Songs Hofgarten und Annemarie 😉 … Das war der Startschuss, auch wenn ich danach und bis heute noch viel Udo Lindenberg gehört habe. Ich spiele noch Bass bei Poison Machines (Postpunk/Alternative) und habe mein Soloprojekt Chris Phosphor (EBM, Synthwave, Elektropunk). Mit Grey Phosphor (Postpunk) aus Ravensburg ist es auf die Distanz schwierig, gibt’s aber theoretisch noch ;-).

Reimer: Ich kaufte die Toten Hosen LP „Live bis zum bitteren Ende“, weil da eine Sprühschablone drin war, nicht wegen der Mucke. Die Schablone habe ich heute noch. Die Platte auch. In den späten 90er hab ich in der Hamburger Hardcoreband Sub Zero/Brackwasser gespielt. Ebenso in der spanischen Punkband Pablo Tm sowie in Berlin in der Ernst Thälmann Band (Stonerrock). Mik: Früher war es für viele Jugendliche ja sehr wichtig, zu einer der – gegenüber heute überschaubaren – Auswahl von Gruppen/Strömungen dazuzugehören. So war das natürlich auch bei mir in meiner Heimatstadt Oldenburg. Die Lust auf Anti gegenüber Eltern, Lehrern und Jägerzaun – zusammen mit der Lust auf Musik machen fand im DIY-Punkrock ein wunderbares Spielzimmer. Und so spiele und singe ich heute noch in der Punkrockband Kindergarten. Die habe ich mit meinem Bruder und Freunden schon Mitte der 90er in Oldenburg gegründet und nach einem langen Dornröschenschlaf vor ca. 7 Jahren wurde sie wiederbelebt.

FdP: Wo ist euer „Wohnzimmer“? SiL: Ab und zu findet man uns im Abgedreht in Friedrichshain oder im 12 Grad … Lohrentz-Eck hat ja nu zu ;-). Mik: Mit Blick auf die noch geringe Anzahl an Konzerten waren alle Locations unfassbar cool, voller Geschichten, kreativ und herzlich – einfach nur toll (Supamolly, das Filmrisz, der Freiraum/Sama32…). Die Leidenschaft der Leute, die sich für diese Kulturräume einsetzen, ist wirklich großartig. Ich hoffe, noch viele dieser Orte besuchen zu können, um mit den verschiedensten Menschen, die hier arbeiten und feiern, in Kontakt zu kommen. 

FdP: Wer ist aus Eurer Crewfamilie nicht wegzudenken? SiL – einstimmig: … ROLAND!

FdP: Wie beschreibt ihr die Szene in Berlin? Chris: Ich bin noch gar nicht so lange hier, ich habe daher mehr die Kleinstadt wahrgenommen, wo es einen anderen Zusammenhalt gab und alles fokussierter war, was Konzerte, Kneipe, Bands etc. anging. In Berlin gibt es wahnsinnig tolle Menschen, die in coolen Locations viel reißen, und dabei auch Leute mit einbeziehen, die es nicht so dicke haben. Das gefällt mir super. Aber wie überall gibt es jene und solche. Wie sang schon “…But alive”: “All die hohen Ideale retten dich nicht davor, ein Arsch zu sein.” 😉 Mik: Punk hat das Überraschungsmoment und die Anstößigkeit der 70er/80er eingebüßt – aber die Genetik, sich z. B. von Zwängen freizumachen und Dinge selbst in die Hand zu nehmen, ist nicht wegzukriegen. Und wenn Punk auch an die soziale Verantwortung appelliert, die die Gesellschaft hat (ob Staat, Wirtschaft, Kirche, Kiez, Dorf oder Nachbarn), dann wird Punk mit Blick auf die weltweiten Entwicklungen noch wichtiger! Reimer: Zur Szene in Berlin muss man sagen, dass durch Gentrifizierung nicht nur Clubs und Kneipen rarer werden, sondern auch die Leute allmählich verdrängt werden, was echt scheiße ist.

FdP: In welchen Bereichen engagiert ihr Euch? SiL: Wir spielen sehr gerne für soziale Projekte, da kann man auch über Themen und Möglichkeiten reden. Privat spenden wir eh, z.B. an die Helden von Seapunks, Seawatch oder die Kältehilfe. Das ist uns eine Herzensangelegenheit. Wenn wir sehen, wie sich andere direkt vor Ort selbstlos engagieren, kommen wir uns ganz klein vor. Es erfordert viel Mut und Stärke, genau da zu sein, wo Leid ist und Hilfe gebraucht wird. Wie haben größten Respekt vor diesen Menschen und stehen in deren Schuld.

FdP: Lass uns nach vorn schauen. Welche Pläne habt ihr? Chris: Wir spielen im Sommer bei der Fête de la Musique in Berlin und im September gibts Konzerte in Ravensburg und Greiz. Weitere sind in Arbeit (Hamburg ..) und wir wollen natürlich immer spielen, also gerne melden! 🙂Aufnahmen sind auch geplant, da wird dieses Jahr noch was rauskommen.

FdP: Habt Ihr eine Botschaft an die „Freunde-des-Punk“ Leser? Chris: Hört Euch unsere Platte an und folgt uns auf Social Media, das lohnt sich. Und – es gibt immer wieder mal neue Bands und Platten zu entdecken, nicht alles super geil, doch einige Perlen derzeit und jederzeit. Mik: Vielen Dank, wenn Ihr Euch den Beitrag über uns schon soweit durchgelesen habt! 😉 Bleibt, wie ihr sein wollt und lasst Euch nicht unterkriegen – es braucht eine laute und bunte Welt mit viel Leidenschaft – und vor allem braucht es Punk!

Wir finden, das kann man so stehen lassen. Vielen Dank an Chris, Mik und Reimer, dass Ihr Euch die Zeit genommen habt, unsere Fragen so ausführlich zu beantworten . PS: Das mit dem Sofa und dem Eierlikör war natürlich Quatsch und entstand aus ner Steilvorlage; denn wie immer haben wir das Interview schriftlich geführt! 😉

Kontakt für Bandanfragen, Musik & Merch:

info@sprunginsleere.de

Wenn jemand Bock hat, unser Zeug zu vertreiben: Gerne melden!

Social Media, Website & Stream:

Bandinfos: Sprung ins Leere, Bilder @ facebook.com/AlwinPhotography

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