Logo von Freunde des Punk. Ein Totenkopf mit grünem Iro, von Stacheldraht umrandet

Gott Sei Punk Fest in Hamburg

Am heutigen Samstag, den 7ten Juni 2025 geht es für mich zum ersten Mal auf dieses berühmt berüchtigte Festival.

Gespielt wird in den Clubs Grünspan und Indra, beide gelegen am Ende von der Großen Freiheit auf St. Pauli.

„Gesellschaftliche Verpflichtungen“ im Freundeskreis können schon manchmal hart sein. An diesem Morgen gibt es bereits gegen 9:30 Uhr das erste Bier, da ich auf einem Junggesellenabschied eingeladen bin.

Sprich, auch dieser Blog-Eintrag kann relativ extreme Spuren von Alkohol enthalten.

Das Wetter in Hamburg macht an diesen Tag seinem launischen, norddeutschen Ruf alle Ehre. Es sind 15-16 Grad und gelegentlich kräftige Schauer.

Wir fahren mit der HADAG Fähre von den Landungsbrücken rüber nach Finkenwerder. Schon vor der Fahrt ist die Box Klopfer – eine bunte Mischung von Kurzen – so gut wie leer. Dazu gibt es weiter ordentlich Bier-Nachschub zu vernichten.

Mir kommen erste Zweifel, ob ich es heute überhaupt noch zur Großen Freiheit schaffen werde.

Gegen kurz vor 16 Uhr schaffe ich es dann aber, mich abzukapseln.

Beim Einlass wartet schon meine „Punker Truppe“ auf mich, die Zweifel sind sofort wie weggeblasen und werden von massiver Vorfreude ersetzt, auch wenn sich alles etwas dreht bei mir.

Zuerst noch ein Hesburger (legendärer Laden auf der Reeperbahn) mit Fritten in die Fresse und dann ab ins Indra.

Skartoffel

(Indra)

Gegen 16:20 startet diese 6 köpfige Band aus dem Münsterland direkt mit gut gelaunten Ska-Punk. Skartoffel ist eine, zumindest in Sachen Diskografie, noch jungen Band, die laut Recherche erst im Jahr 2024 ihr Debütalbum Meer wollten wir gar nicht heraus gebracht hat.

In Sachen gute Laune, Humor und Song-Thematiken erinnern sie mich durchaus an Bands wie zum Beispiel die Sondaschule. Es geht größtenteils um die schönen Dinge des Lebens. Viel Feierei, etwas Reflexion und um das „Nie erwachsen“ werden, wie im gleichnamigen Song von ihnen.

Der Laden ist für die Uhrzeit echt schon gut gefüllt und das Publikum wird von der Freude auf der Bühne sofort angesteckt. Ein guter Auftakt.

Herzblut

(Grünspan)

Danach geht es direkt rüber ins Grünspan, für Punkrock aus Berlin mit einen gewissen Hang zum Pop-Punk. Das erste was mir auffällt: Herzblut können richtig gut singen! Ist ja in unserem Genre alles andere als Selbstverständlich 😉 Die Refrains sind sehr catchy und lassen sich schon nach kurzer Zeit problemlos mitsingen. Beispiele dafür sind Lieder wie Radikal verliebt oder nie mehr BVG.

Das mag nicht unbedingt immer innovativ sein, aber die Jungs machen live einfach richtig Spaß. Ganz in der Tradition von Bands wie den Toten Hosen.

Es gibt ein bisschen Moshpit und sogar eine Polonaise durch den Saal. Da lässt man sich natürlich nicht lange bitten und macht mit, selbst wenn man vorher, so wie ich, nur wenig bis gar nichts von der Band kannte.

Im Grünspan ist es zwar noch nicht ganz so voll, aber das ist ja auch mal angenehm. Zum einen ist die Location deutlich größer als das Indra, zum anderen haben alle Fans, die da sind richtig Bock. Einige tragen Das Shirt der Band und sind auch in den Strophen absolut textsicher.

Drunken Swallows

(Grünspan)

Weiter geht es mit der Band Drunken Swallows aus Oldenburg in Holstein, gegründet im Jahr 2009.

Ich bin sofort begeistert, kratzige Stimme und druckvoller Sound, der auch einer klassischen Rock-Band durchaus gut zu Gesicht stehen würde. Nummern wie Im Namen des Wahnsinns, Keine Zeit für irgendwann oder Himmelblau haben absolutes Hymnen-Potenzial und gehen richtig nach vorne.

Der Pit ist nun auch endlich in seiner vollen Pracht da. Kurz die Überlegung : „Hält mein Kreislauf das heute aus?“. Imaginäre Antwort: „Ich verstehe die Frage nicht!“. Also mitten rein ins Getümmel.

Mit Songs wie Wo stehst du (Video) stellen sie sich ganz klar gegen Rechts.

Ein super Auftritt einer Band, die richtig Bock darauf macht, sich die Alben nochmal in Ruhe anzuhören.

Der Kreislauf streikt nun nach Ende dann tatsächlich ein bisschen bei mir. Erst mal ein Wasser und auf den schmutzigen Boden setzen, die Hose ist sowieso schon wieder klatschnass.

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Elfmorgen

(Grünspan)

Nach der Umbaupause geht es weiter, mit diesen Männern aus Friedberg in der Wetterau. Gegründet haben sich Elfmorgen im Jahr 2002, sind also auch schon einige Jahr im Live-Geschäft. Laut Recherche gewannen sie bereits einige Band-Wettbewerbe und waren unter anderem von 2016 bis 2018 als Support für die Indie Rocker von Kapelle Petra unterwegs.

Textlich gibt es da auch tatsächlich ein paar Überschneidungen. Der Song Nur für dich könnte definitiv auch von der Kapelle geschrieben worden sein, ein sehr humorvoller Liebessong . Aber auch mit Bands wie Montreal oder Jaya the Cat waren sie schon unterwegs und auch das passt ebenfalls, wenn man Songs wie wie Tanz, Bei aller Liebe oder auch einen live Knaller wie Kapitän hört:

„Wenn ich groß bin
werde ich Kapitän
auf der MS-Leck-mich-am-Arsch“

Mit Nazis bleiben Nazis beziehen auch Elfmorgen an diesem Abend ganz klar Position:

„Ich hör sie jetzt schon sagen
Wir haben nichts davon gewusst
Sowas kann ja keiner ahnen
Sowas merkt man erst am Schluss“

Ein perfekter Pogo-Song und der (inzwischen richtig gut gefüllte) Saal eskaliert total.

Smile and Burn

(Grünspan)

Anschließend gibt es, mit Smile and Burn, erneut Berliner Punkrock. Gegründet im Jahr 2008, liefert diese Band energetischen Sound, der teilweise schon in Richtung Hardcore geht. Eine Gruppe mit sehr sozialem Gewissen, die Erlöse aus ihrem Album HipHop Will Never Be the Same (veröffentlicht als Kassette) gingen an die Non-Profit-Organisation Viva Con Agua, welche sich hauptsächlich für eine saubere Trinkwasser-Versorgung in den ärmeren Ländern der Welt einsetzt.


Das Grünspan ist leider besonders während der ersten Hälfte des Sets ziemlich leer, die Jungs geben aber trotzdem alles. Trotz des ziemlich harten Klangbildes inklusive Schreieinlagen vom Sänger, beweisen sie mit Songs wie Computer spielen auch eine gesunde Portion Humor.

„Ich hasse es, eine Band zu sein
Denn ich will nur
Denn ich will nur
Computer spielen“

Le Fly

(Grünspan)

Beim nächsten Act wird es deutlich voller. Man merkt sofort, dass die Formation heute eine richtige Fan-Gemeinde dabei hat, die extra für diesen Auftritt gekommen sind . Le Fly spielen – laut eigener Aussage – St Pauli Tanzmusik aus Hamburg. Eine bunte Mischung von verschiedenen Stilen, aber die Ska-Trompete ist fast immer am Start. Der Sänger kann echt gut singen und noch besser rappen, ein starker Reggae-Einfluss ist ebenfalls dabei. Musik zum springen und tanzen, eher nicht zum Pogen.


Die Texte sind größtenteils leichterer Natur und stets mit sympathischem, schnodderigem norddeutschen Augenzwinkern/Humor versehen. Ich versuche mitzutanzen und zu springen. Man kann der Truppe nichts vorwerfen, die Stimmung ist super und die Performance ist mit sehr viel Liebe. Allerdings komme ich irgendwie nicht so richtig rein.

Zur Hälfte des Sets entscheide ich mich, mal wieder ins Indra zu schauen. Meine Freunde habe ich schon vor ein bis zwei Stunden verloren und ich vermute sie dort. Ich finde sie im sehr schönen Garten vom Indra Klub. Da ich klatschnass bin, gehe ich dann aber schon kurze Zeit später direkt in den Club, für ein „bisschen Wärme“ und noch mehr live Musik

Chefdenker

(Indra)

Jetzt gibt Claus Lüer zu sehen, der Sänger von der legendären Knochenfabrik. Heute ist er mit seiner anderen Band am Start. Er wirkt zwar nicht mehr ganz nüchtern, aber lange nicht so besoffen wie bei früheren Auftritten. Dafür werde ich gefühlt immer besoffener und kann mich an konkrete Songs aktuell leider nicht wirklich erinnern. Auf jeden Fall singt er an diesem Abend sauber und hat keine ersichtlichen Ausfallerscheinungen.

Das Indra ist jetzt richtig voll. Scheinbar wissen viele das günstigere Bier und den Garten zu schätzen.

Hass

(Indra)

Zum Abschluss gibt es, vielleicht sogar mein persönliches musikalisches Highlight an diesem Abend. Eine Band mit langer Geschichte – Hass. Ursprünglich bereits 1978 gegründet, 2001 aufgelöst und 2013 wiederbelebt.

Aktueller Sänger ist Marv Mandela, der auch bei der Band Fuck’it’Head (hier unsere Band-Info) aktiv ist. Der macht seine Sache für meine Begriffe echt gut an diesem Abend.

Aber bei diesem Gig kann ich die Songs leider nicht mehr wirklich wieder geben, mit Sicherheit auch, da ich die meisten Lieder vorher nicht kenne. Allerdings erinnere ich mich an ein paar Details.

Der Moshpit ist super und vom ersten Ton an am Start. Mit Menschenfresser covern sie einen absoluten Klassiker von Ton Steine Scherben. Dann erinnere ich mich, dass Mama, was macht der Panzer vor der Tür ein richtiger Live-Knaller ist.

Zwei neuere Songs, die live ebenfalls sehr gut funktionieren sind Im nächsten Leben werde ich wieder Punk und Das hunderttausendste Anti-Nazi-Lied.


Es ist ein toller Abschluss vom Festival und auch bei Hass ist mein Interesse an einer Listening-Session zuhause geweckt, um mehr Songs von ihnen für mich zu entdecken.

Ich fühle mich komischerweise jetzt wieder richtig gut, scheine über den toten Punkt hinaus und lasse mich zu einem Besuch im Gun Club (legendäre Punker Kneipe Richtung Landungsbrücken) von meinen Freunden bequatschen.

Als wir diesen gegen 4 Uhr verlassen, labere ich (so halb) im Spaß irgendwas von „Jetzt können wir auch noch auf den Fischmarkt warten“. Dieser öffnet so in der Regel gegen 6 Uhr morgens, aus Spaß wird dann schnell ernst und meine Freunde sind begeistert.

Beide waren vorher noch nie so richtig dort und bei mir ist es einige Jahr her. Insofern erstmal Bier vom Kiosk geholt und an den Hafen gesetzt. Das Wetter ist verdächtig gut. Was bei uns in Hamburg nichts anderes heißt als „Es ist trocken“. Wir schnacken und schauen auf den Hafen. Danach wollen wir nochmal neues Bier holen.

Aber siehe da, selbst die Kiosks auf St Pauli haben inzwischen zu und wir finden uns in der „Komet Bar“ wieder, ein gemütlicher Laden. Ich trinke 3 Schluck und mache dann scheinbar erstmal ein kleines Nickerchen. Als ich erwache, wollen die Jungs los zum Fischmarkt – es ist 6:33 Uhr. Wir verlassen den Laden und es schüttet wie aus Eimern. Aber mein Wiederstand ist zwecklos, ich werde mit in die Fischauktionshalle (Ein paar Meter hinter dem eigentlichen Fischmarkt gelegen) geschleppt. Hier ist die Hölle los.

Tja und was soll man sagen. Wir unterhalten den ganzen Laden. Es wird sich absolut gepflegt daneben benommen, eine Ananas wird versucht zu knacken, mit der Folge, dass alle Getränke vom Tisch fallen. Dann wird eine Obst Pyramide gebaut, von der Bank gefallen und mit den Snobs geschnackt. Aber auch die Tanzfläche ist nicht sicher vor uns.

Gegen 9:15 Uhr morgens treten wir dann den Weg nach Hause an. Es nieselt zum Glück nur noch. Das Gehen fällt uns 3en allerdings schon etwas schwerer inzwischen. Einer meiner Freunde hat sich für 20 Euro eine riesige Tüte mit Obst gekauft und schleppt diese nun tapfer zur Bahn. In der Bahn macht das dann plötzlich Sinn, es sind nämliche einige Obdachlose unterwegs und jeder bekommt was zu essen.

Gegen 10:30 Uhr komme ich zuhause an. Völlig zerstört nach gut 25 Stunden on Tour, aber sehr glücklich. Das Festival war super schön, mit ganz vielen netten und bunten Menschen. Die After Show Party war so zwar nicht geplant, aber ich habe mich lange nicht mehr so frei gefühlt wie in dieser Nacht.

Also nächstes Jahr wieder aufs Gott Sei Punk ? Da könnt ihr sowas von euren Arsch drauf verwetten ! Ich kann die Veranstaltung jedem der Punk liebt einfach nur wärmstens empfehlen 🙂

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