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Patti Smith Quartet in Hamburg

Am heutigen 9ten Juli 2025 geht es mal wieder in den Hamburger Stadtpark für die „Godmother of Punk“! Das Wetter spielt, wie vor einigen Tagen bei Iggy Pop, glücklicherweise mit und wir betreten bei leicht bewölktem Himmel und gut 20 Grad die Location.

Bereits eine halbe Stunde vor offiziellem Beginn ist die „Wiese“ fast schon komplett voll mit Leuten. Sie geht abschüssig von oben runter zur Bühne. Wir ergattern noch einen Platz fast ganz unten. Vorteil, wir werden der Künstlerin ziemlich nah sein. Möglicher Nachteil, wir sind klein. Sprich jeder Mensch über 1,70, der sich vor uns stellt, wäre eine mögliche „Gefahr“ in Sachen freier Sicht. Wir sehen dann am Ende ganz gut.

Das Publikum ist nicht ganz so alt wie bei Iggy Pop. Ich würde schätzen, der Altersdurchschnitt heute liegt so zwischen 40 – 60 Jahren . Allerdings haben wir vor uns 3 Damen, die augenscheinlich erst in ihren 20ern sind. Rechts neben mir steht ein Rentnerpaar in ihren 70ern. Sprich meine Mutter mit 61 und ich mit 33 Jahren passen hier irgendwie als Ergänzung ganz gut rein.

Alle warten sehnsüchtig und – für deutsche Verhältnisse erstaunlich geduldig – auf Patti und ihre Band.

Es wird 19:15 und auf der Bühne tut sich – nichts. Ein klares Indiz, dass es keine Vorband geben wird, da ab 21:45 die Veranstaltungen im Stadtpark aufgrund von Auflagen beendet sein müssen.

Immer wieder enthusiastisches Klatschen vom Publikum.

Gegen 19:35 Uhr entern Band und Künstlerin dann die Bühne mit „Redondo Beach“ vom ersten Album „Horses“ von 1975. Ein ziemlich legendärer Song, Soundmäßig mit klaren Reggae Anleihen . Ursprünglich veröffentlicht als Gedicht in Patti Smiths Buch „Kodak“. Damals noch unter dem Namen „Radando Beach“. Im Song geht es um besagten Strand und um den Selbstmord einer jungen Frau durch Ertrinken.

Weiter geht es mit „Ghost Dance“ vom zweiten Album Easter, aus dem Jahre 1978. Hier geht es thematisch und auch soundtechnisch um Gesänge der indigenen amerikanischen Bevölkerung zum Ende des 19ten Jahrhunderts. Diese enthielten wie auch dieser Song Ideen über den Tod, Wiederauferstehung und Erhaltung der indigenen Kultur.

Patti Smith war schon immer eine politische Person, die das Wort gegen die Mächtigen dieser Welt erhebt und den finanziell Schwachen der Gesellschaft eine Stimme gibt. Vielleicht nicht zuletzt, weil sie selbst absolut weiß, wie es sich anfühlt arm zu sein, oder sogar (materiell) fast gar nichts zu besitzen.

Ein kurzer Exkurs in den Lebenslauf der Künstlerin:

Geboren 1946 in Chicago wächst sie laut eigener Aussage („We never had any money..“) in ärmlichen Verhältnissen auf und in einer Familie mit einer religiösen Nähe zu den Zeugen Jehovas. Sprich nicht die besten Voraussetzungen für das Leben, welches sie später leben sollte. Bereits mit 16 beendet sie ihre Schule und arbeitet erstmal in einer Fabrik. Mit 18 bringt sie ein Kind auf die Welt, welches sie zur Adoption frei gibt. Anschließend zieht sie nach New York und lebt erstmal eine Zeit auf der Straße. Das Leben unter freiem Himmel störte sie laut eigener Aussage damals zunächst überhaupt nicht. Aber der Hunger nach Essen war irgendwann für sie nicht mehr auszuhalten.

1967 lernt sie den Fotografen und Künstler Robert Mapplethorpe kennen. Sie leben einige Jahre zusammen und machen gemeinsam Kunst. 1969 werden ihre ersten Gedichte veröffentlicht. 1975 erscheint dann endlich das zuvor schon beschriebene Album Horses. Dieser enthält mit „Gloria“ bereits einen ihrer ganz großen Hits. Was folgt, ist ein sehr bewegtes Leben. Viele Höhen, aber auch viele Tiefen; Todesfälle und mentale Krisen. An dieser Stelle sei euch allen ihr herzzerreißend schönes Buch „Just Kinds“ wärmstens ans Herz gelegt. Besonders ihre frühen Jahre beschreibt sie darin ziemlich genau.

Zurück zum Konzert:

Man merkt, dass Patti eine klare Passion für Bob Dylan besitzt. Am heutigen Abend covert sie unter anderem „Man in the Long Black Coat“ auf meisterhafte Weise. Ein weiterer großer Hit, den wir zu hören bekommen ist „Dancing Barefoot“. Ein ziemlich spiritueller Song über die Emotion Liebe. Das Lied ist ein gutes Beispiel dafür, wie es die Künstlerin immer wieder schafft, ihre Zuschauer in eine Art Trancezustand zu befördern. Sie verleiht jedem ihrer Worte Gewicht und wirkt manchmal schon etwas wie eine Schamanin (im allerbesten Sinne).

Zwischendurch spricht sie ziemlich viel. Oft über Politik, manchmal lustig und eigentlich immer tief bewegend. Es geht um ihr Land, um die Mächtigen dieser Welt. Auch geht es um ihre tiefe Überzeugung, dass die Macht der Bevölkerung noch immer ungebrochen ist, wenn sie sich gegen Obrigkeiten vereint.

Ihr größter Erfolg darf dann gegen Ende natürlich nicht fehlen. „Because the night“ ist ein Song den wohl (bewusst oder unbewusst) fast jeder Musikliebhaber schon mal gehört hat. Der Legende nach geschrieben von Patti Smith und Bruce Springsteen zusammen. Von Bruce dann freigegeben für Pattis Album „Easter“. Tja und was soll ich sagen, ich liebe diesen Song so sehr ! Es gibt wenige Songs, die ich zuhause auf meiner Couch (besonders nachts) schon so oft mit Kopfhörern auf laut mitgesungen habe. Wahrscheinlich durchaus nicht immer zur Freude der Nachbarn. Aber die hat man mit den Hörern auf dann ja nicht meckern gehört. Einfach ein wunderschöner Liebessong in meinen Augen.

Sehr freuen tue ich mich dann noch über das legendäre „Pissing in a River“ vom Album Radio Ethiopia. Ein Song, der metaphorisch für anfängliche Unsicherheit steht und wie man diese in gesellschaftlichen Widerstand und Rebellion verwandeln kann.

Am Ende gibt dieses Mal tatsächlich nicht „Gloria“ zu hören. Dafür mit „People have the Power“ von 1988 einen weiteren legendären Song, dessen Message nicht aktueller sein könnte.


I awakened to the cry
that the people have the power
to redeem the work of fools
upon the meek the graces shower
it's decreed the people rule.

aus: "People have the Power".

Dem ist songtechnisch nichts mehr hinzufügen. Gegen 21:30 Uhr werden wir in den weiteren Abend entlassen.

Abschließend lässt sich sagen, dass Patti Smith auch mit 78 Jahren nichts von ihrer Strahlkraft verloren hat. Die ganze Location hing förmlich an ihren Lippen und hat sie verdientermaßen (zumindest für norddeutsche Verhältnisse) frenetisch gefeiert. Ihre Stimme klingt so kraftvoll wie eh und je. Sie spuckt auch immer noch gelegentlich gerne auf die Bühne. Lediglich das Fluchen ist etwas weniger geworden. Eine wichtige Stimme, die Empathie und tiefe Menschlichkeit an ihre Zuschauer gibt. Mir fällt nichts ein, was wir zurzeit mehr brauchen. Fängt natürlich bei jedem und jeder an. Hoffentlich bleibt sie uns noch ein paar Jahre erhalten.

Ein Abend, der mich ziemlich sprachlos, bewegt und ermutigt zurücklässt. Ich hoffe sehr, sie noch ein drittes Mal sehen zu dürfen, wenn es wieder heißt:

"Take me now, baby, here as I am
hold me close, try and understand
desire is hunger is the fire I breathe
love is a banquet on which we feed."

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