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Feine Sahne Fischfilet in Berlin 2025

Der Feierabend ruft und alles ist gerichtet für ein wildes Wochenende in Berlin. Zu Ehren der Jungs aus Mecklenburg-Vorpommern machen wir uns todesmutig auf, um mit der deutschen Bahn in die Hauptstadt zu gelangen. Die „Hinterlandgang“ wird uns in der „Wuhlheide“ als Opener auf Betriebstemperatur bringen.

Prophylaktisch haben wir uns mit ein paar Bier und lecker Sandwiches eingedeckt. Man weiß ja nie wie lange so eine Fahrt am Ende tatsächlich dauert. Heute werden wir höchst positiv überrascht. Ich schaffe es gerade so, gemütlich 2 Halbe zu trinken und schon sind wir da. Keine Verspätung und keine gestrichenen Waggons. Was will man mehr.

Unsere Unterkunft liegt wenige Meter von der U-Bahn Station Berlin-Karlshorst entfernt. Sprich wir befinden uns definitiv im Osten der Stadt. Jedoch bietet die Anreise für uns zwei „Technik-Nomaden“ erstmal ein Erlebnis aus der Reihe „Science Fiction für Anfänger“. Es gibt keine Rezeption und wir brauchen irgendeine App, um überhaupt ins Gebäude zu kommen. Im Schweiße meines Angesichtes krieg ich das tatsächlich hin. Unsere erste Reaktion war allerdings schon „Was soll der Scheiß“? Ohne Smartphone funktioniert diese Welt scheinbar gar nicht mehr. Der Blick ist zumindest ganz okay und die Lage wie beschrieben wirklich gut.

Einen Griechen gibt es auch um die Ecke und die Pre-Party kann beginnen. Preislich ist das Essen für Berliner Verhältnisse durchaus teuer. Allgemein scheint das hier eine eher „wohlhabendere“ Gegend zu sein. Die Leute an den Nebentischen sind relativ schick (und sehr besoffen). Nach Ouzo, Bier und reichlich Gyros geht es weiter in einen Biergarten. Wir finden ein paar ganz nette Studenten zum schnacken und fühlen uns trotzdem irgendwie etwas fremd. Das ist wirklich nicht das Berlin was wir sonst von Neukölln oder Kreuzberg kennen. Alles irgendwie zu still, gesittet und geruhsam. So macht dann der Garten auch bereits kurz vor 11 zu.

Wir finden zum Glück noch eine klassische Eckkneipe mit Urberliner Charme und den halben Liter Bier vom Fass für 2,80 Euro. Für mich als Hamburger ein fast schon überragend günstiger Preis. XXL Vodka Shots gibt’s auch noch. Zum Schluss genehmige ich mir bei einer „kleinen“ Musik Session auf dem Zimmer noch das ein oder andere Schultheis. Für mich mit Abstand das besten Bier in Berlin.

Am nächsten Morgen wachen wir standesgemäß mit Kater auf und in einem Zimmer, das den Namen „Sahara“ absolut verdient hätte. Da soll noch einer sagen, dieser „neumodische Mist“ einer Unterkunft wäre gut isoliert. Nach dem Frühstück geht es eine Station mit der S-Bahn ins schöne Köpenick.

Ein wirklich sehenswerter Stadtteil mit vielen alten Gebäuden, Wasser und etwas Wald. Wir wandern entspannt Richtung Müggelsee. Erreichen sollten wir ihn nicht, denn wir machen immer mal wieder kleine Sitzpausen mit Bier. Die Sonne strahlt, es ist heiß und wir beobachten vom Waldstück aus die Leute auf dem Wasser. Super viele kleine („Party“) Schiffe fahren vorbei.

Auf dem Rückweg finden wir mit „Evelin’s an der Müggelspreepromenade“ ein richtig nettes Lokal. Erneut nicht wirklich günstig, aber es gibt super lecker Fisch und selbstgebrautes Bier. Dazu ein großer Garten mit Blick aufs Wasser. Empfehlung geht raus. 🙂

Gegen 16:30 Uhr kommen wir an der Wuhlheide an. 17 Uhr soll Einlass sein und es gibt schon eine ziemlich lange Schlange, in die wir uns einreihen. Der Einlass geht dann allerdings super schnell und wir finden sogar noch unseren Freund aus Hamburg, (zumindest kurzzeitig) der heute erst nachgereist ist.

Die Wuhlheide hat eine wunderschöne „Arena“ (Parkbühne Wuhlheide), gelegen quasi mitten im Wald. Sie besteht aber nicht nur aus der Arena. Das ganze Naturareal ist als „Wuhlheide“ deklariert. Ein Ort, der wohl normalerweise zum Entspannen und Erholen gedacht ist. Aufgebaut wie ein ziemliches großes Amphitheater bietet die Parkbühne insgesamt Platz für 17.000 Menschen. Besonders dabei sind die ganzen Sitzbänke, die rundherum von oben nach unten zur Bühne führen. Laut meiner Mutter kann man von dort super sehen und hören.

Wir chillen noch etwas zusammen auf der Tribüne. Dann geht es für mich runter in die Mitte für die erste Band. Das Handy lass ich heute lieber bei meiner Begleitung.

Hinterlandgang

Sehr pünktlich um 18:55 Uhr kommen 2 junge Männer aus Siedenbüssow, einem kleinen Dorf in Mecklenburg Vorpommern, auf die Bühne. Sie machen frischen und unverbrauchten Rap; thematisch ist das alles gar nicht so weit weg von Feine Sahne Fischfilet. Es geht um das Aufwachsen in der ostdeutschen Provinz, mit allen positiven und negativen Seiten.

Thematisch überwiegt in der Musik eher das „negative“. Die Stimmung die uns vermittelt wird, ist meist düster. Unterlegt mit Beats, die öfter schon in Richtung „Electro“ gehen. Rechte Strukturen, die seit langer Zeit einen festen Platz in diesem Teil von Deutschland haben, werden thematisiert. Es geht darum, von Nazis auf die Fresse zu kriegen und um die Angst auf dem Heimweg in der Nacht. Es geht aber auch um Zusammenhalt und das manchmal vielleicht etwas verzweifelte, aber nie hoffnungslose sich „Dagegenstellen“. Der Kampf gegen einen manchmal übermächtig erscheinenden Gegner von Rechts. Gleichzeitig aber auch um das nicht resignieren, den Zusammenhalt untereinander und um das „Bleiben“ trotz der Umstände. Um schöne Abende mit den Freunden und allgemein um wahre Freundschaft.

„Und egal wie viel Waffen ihr hortet, wir bleiben miteinander!
Das geht raus an die Provinzjugend Antifa!
Und sollten sie dich wieder durch die Straßen jagen, weißt du, ein Anruf reicht – wir sind alle da!“

(aus dem Song „Hinterlandgang Pt. III)

Auch wenn ein paar Punks vielleicht nicht so auf den Sound können. Für mich ein absolut schlüssiger und toller Auftakt. Schön, dass Monchi und der Rest der Band ihnen diese Bühne bieten. Sicherlich sprechen sie vielen jungen Menschen aus diesen Regjonen aus der Seele und machen ihnen hoffentlich etwas Mut. Das aktuelle Album „Rosa Mitsubishis“ ist 2024 erschienen und absolut zu empfehlen.

Feine Sahne Fischfilet

Das Handy hab ich ja bei Mutti gelassen, aber gefühlt bereits kurz vor 20 Uhr betreten die einst vom Verfassungsschutz als „Vorpommerns gefährlichste Band“ titulierten Herren die Bühne. Es gibt ein Piano Intro, was sich von der Melodie her immer mehr in Richtung eines gewissen Songs wandelt.

Als dann der Vorhang fällt, explodieren die Menge und ich zu den Tönen von „Wir kommen in Frieden“. Die erste Single vom aktuellen Album. In meine Ektase mischt sich der Gedanke „Wie oft hab ich diesen verdammten Song die letzten Wochen alleine bei mir zuhause gehört!?“ Nun höre ich ihn mit 17.000 Leuten. Einfach ein wunderschönes Gefühl !

Anschließend eskaliert das Ding nochmal eine Oktave höher mit „Alle auf Rausch“ vom vorherigen Album „Sturm und Dreck“.

2 Songs sind wir nun erst drin und ich bin schon klitschnass. Es ist heiß und eng vorne. Allerdings war das vor 2 Jahren, beim letzten Besuch der Band noch deutlich schlimmer. „Damals“ hatte ich bei den ersten Songs echt etwas Angst, zerquetscht zu werden. Heute ist es okay. Trotzdem sehe ich weiterhin die Problematik, dass nicht wie beispielsweise bei den Toten Hosen Bändchen für den ersten Wellenbrecher ausgegeben werden. Sprich wer früh genug da ist kriegt eins für vorne. Der Rest muss dann halt hinter den ersten Wellenbrecher. Mir ist klar, dass das sehr unpunkig klingt. So laufen nur halt zu Beginn gefühlt alle nach vorne. Nichts für Klaustrophobiker. Dies aber nur mal am Rande.

Etwas entspannter vorne wird es mit dem Song „Endlich auf Reise“. Eine Song der in meinen Augen auch einer Band wie Kraftklub sowohl textlich als auch musikalisch gut zu Gesicht gestanden hätte. Ich finde ihn gut. Bands entwickeln sich weiter und eine kurze Verschnaufpause in Sachen Moshpit ist ja nicht verkehrt. Auf alle Songs einzugehen würde hier den Rahmen sprengen. Stolze 28 Songs habe ich am Ende gezählt, die gespielt wurden. Eine bunte Mischung aus neuen und alten Songs. Monchi wirkt an diesem Abend für meine Begriffe sehr glücklich und gelöst. Die Band wirkt sehr eingespielt und ebenfalls bester Stimmung.

Es komm weiterhin zu knallharten (geilen) Moshpits bei Songs wie „Kiddies im Block“. Das Publikum ist super und augenscheinlich passen alle sehr gut aufeinander. Allgemein ist die Stimmung sehr „friedlich“. 2 Mal stoppt Monchi (absolut vorbildlich) Songs, damit „gefallene“ Leute wieder hochkommen können.

Mein Highlight heute wird dann ein „4er-Song-Block“ zu Mitte des Sets. Angefangen mit „Zuhause“. Einer meine absoluten Lieblingssongs der Band. Es geht darum, alles aufgeben und riskieren zu müssen für die „Flucht“ und die alte Heimat zurücklassen zu müssen. Monchi spricht quasi aus unserer Perspektive mit den Menschen, die fliehen müssen.

„Reiß ihre Mauern ein
Reiß alle Mauern ein
Du lässt dein ganzes Leben zurück
Reiß ihre Mauern ein
Reiß alle Mauern ein
Du riskierst jetzt alles für das Glück“

Im Video werden allerdings auch andere Themen hinsichtlich „Zuhause“ thematisiert. Sei es nun die Lage einer Familie die ihr Haus zu verlieren droht, oder die Situation eines Obdachlosen. Live einfach ein absoluter Gänsehautmoment, mit den Menschen um sich herum zu schreien:

„Zuhause
Zuhause
Du bist Zuhause
Du bist wieder Zuhause
Vergesse nie
Vergesse nie
Jeder Mensch braucht ein Zuhause“

Als nächstes kommt „Eine Rauchen wir noch“. Ein eher ruhiger Song, den Monchi seinen verstorbenen Freund Lothar König widmet. Emotional schnürt sich in meinem Kopf so langsam alles zusammen. Als dann anschließend „Warten auf das Meer“ gespielt wird, ist es bei mir sowas von vorbei. Ein Song über einen schwerkranken Freund, mit dem es zu Ende gehen scheint. Ich bin den ganzen Song einfach nur am heulen. Nicht „paar Tränen in den Augen“ sondern richtig heulen. Tut aber irgendwie gut. Einfach mal wieder einen „Gruß“ senden an die Leute, die heute leider nicht mehr dabei sein können.

Die Setlist ist echt genial gemacht, denn nun folgt mit „Diese eine Liebe “ der perfekte Song zum „weiter heulen“ und gleichzeitig pogen + singen. Geschrieben für Monchis Großeltern. Ich denke sofort an meine und sende noch einen Gruß nach oben.

Bevor die Band zum ersten Mal von der Bühne geht, gibt es nun nochmal 3 Songs Vollgas mit „Grüße ins Neandertal“, „Komm mit aufs Boot“ und „Wenns Morgen vorbei ist“. Schweiß und Tränen sind inzwischen eine innige Verbindung in meinem Gesicht eingegangen, die Augen brennen und die Knochen schmerzen.

Als erste Zugabe gibt es wieder was für Herz. „Haut an Haut“ hat Monchi für sein (kürzlich geborenes ?) Kind geschrieben. Eine ganze ruhige Ballade zum genießen. „Niemand wie ihr“ für Monchis Eltern darf natürlich dann auch nicht fehlen. Im weiteren Verlauf versucht sich Trompeter Max Bobzin an einer raptechnischen Cover Version vom Eminem Song „Without me“. Gelingt erstaunlich gut. Auch davon abgesehen macht er einen super Job heute als (seit der Trennung von der Urspungsformation) letzter verbliebener Trompeter.

Zum Klassiker „Geschichten aus Jarmen“ und (vielleicht zukünftigen Klassiker) „Manchmal finde ich dich scheiße“ wird es wieder richtig wild, bevor die Band ein zweites Mal die Bühne verlässt. Bei den letzten Zugaben gibt es zunächst einen Überraschungsgast. „Miss Platnum“ kommt auf die Bühne und performt mit der Band den Song „Jungs und Kokain“ vom aktuellen Album und bekommt dafür viel Applaus von uns.

Den finalen Abschluss vom Konzert machen „Freaks der Stadt“, „Wo niemals Ebbe ist“, „Wir haben immer noch uns“ und schließlich „Komplett im Arsch“. Letztgenannter Song ist wohl noch immer der vielleicht bekannteste Song. Gleichzeitig einer der ältesten im Programm. Kurzes Intro, dann heißt es mit Monchis Worten „Hyper Hyper“ und der Wahnsinn eines Feine Sahne Moshpit beginnt ein letztes Mal.

Wir geben nochmal alles!

Dann ist Schluss und die Band verabschiedet sich zu den Klängen von Don’t Look Back in Anger (Oasis). Was für ein wilder Abend. Tiefbewegt schleppe ich mich die Treppen hoch zu meiner Begleitung. Feine Sahne mag nicht die tiefgründigsten Texte und den besten Gesang haben. Kann alles sein. Nörgler finden ja immer was zu meckern.

Dafür haben sie, was man nicht mit Geld kaufen kann – ganz viel Herz, Energie, Authentizität! Live bringen sie einfach jede Bude zum beben! Ich nehme Monchi jedes Wort ab und die Jungs gucken hin, wo so viele andere wegschauen. Natürlich auch, weil sie nicht weggezogen sind und ihre Release Partys nicht in hippen Kiezen wie Kreuzberg feiern. Seit Jahren spielen sie sich in der Provinz gefühlt den Arsch ab. Da wo „es brennt“ und da wo die Leute Unterstützung brauchen. Die Inhalte sind gut verständlich und sprechen Dinge in meinen Augen sehr klar und eindringlich an. Es bleibt zu hoffen, dass sie damit auch in Zukunft weiterhin bei so einer großen, bunten Mischung von Menschen ankommen. In Sachen Alter war da heute wieder alles dabei und augenscheinlich auch in Sachen „Einstellung“. Viele junge Leute mit offensichtlichen Interesse an linker Politik. Aber auch die optisch absoluten „Normalo Pärchen“ im Alter zwischen 40-70 Jahren. Dazu wie schon beschrieben ein absolut friedliches Miteinander, passend zum Albumtitel. 😉

In diesem Sinne AHOI! Und bei der Winter Tour bin ich auf jeden Fall wieder dabei.

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