Das Fest gibt es erst seit 2022, ist also noch jung, aber der Veranstalter weiß, was er tut. Um unsere Unterhaltung werden sich in diesem Jahr keine geringeren als Alarmsignal, Cockney Rejects, Toxoplasma, Fahnenflucht, Jesus Skins und Kodder kümmern.
Der Tag beginnt mit Kater vom Vorabend. Da hilft nur radikale Selbstliebe und viel Wasser. Schon um 17:30 soll es losgehen. Deshalb planen wir, zu dritt gleich nachmittags die gemeinsame „Reise“ vom Hauptbahnhof nach Altona anzutreten, um noch etwas Zeit für ein paar kühle Getränke und was zu Essen zu haben.
Leider streikt schon am Jungfernstieg unsere Bahn. Feueralarm, Polizeieinsatz, Menschen auf dem Gleis. Irgendwas ist auf unseren S- Bahn Strecken in Hamburg gefühlt immer los. Wir haben nun aber Durst und beschließen, einen Boxenstopp mit Bier an der Innenalster einzulegen. Glücklicherweise strahlt die Sonne und wir nach kurzer Zeit dann auch. Nach 1-2 Getränken ist die Zeit dann allerdings schon etwas knapp und wir versuchen unser Glück noch einmal. Dieses Mal legt uns niemand „Steine in den Weg“ und wir finden uns im Labyrinth von Altona wieder. Wenn man sich hier nicht auskennt, kann man sich schon mal verlaufen zwischen all den Altbauten.
Wenn man den Weg weiß, sind es aber nur 10-15 Minuten Fußweg vom Bahnhof zur Fabrik. Ein Club, der hält, was der Name verspricht. Ein altes Fabrikgebäude, oben mit Tribüne und unten viel Platz zum tanzen. Ca. 1200 Leute passen hier rein.
Bei unserer Ankunft ist es drinnen noch ziemlich leer, da die Punks draußen vor der Tür abhängen, mit Bier vom Kiosk gegenüber. Verständlich, da man drinnen natürlich deutlich mehr Geld für Bier auf den Tisch legen muss. LiLo: Ähh, was heißt „legen“ !? Neuerdings geht die Bezahlung hier nur noch mit Karte. Manche finden das so „medium geil“.
LiLo: Moin ihr lieben! Ich habe übers Wochenende meine Lieblingsstadt besucht. Klar, dass ich mich da meinem guten Freund Finn und seinen Jungs angeschlossen habe und auch am Damage Done anzutreffen war. Aber auch unser lieber Mo hatte sich eine Karte organisiert. Sega, der uns alle drei kennt, hat kurzerhand vermittelt und so habe ich mich auch gleich noch mit Mo verabredet.
Es geht los mit der neuen Band vom ehemaligen COR Sänger Friedemann. Schwer tätowiert im Gesicht und ausgestattet mit einer scheinbar unbändigen Wut. Mit Steffi am Bass (sowie teilweise Gesang) und Arthur an den Drums fackelt die Combo die nächsten 30 Minuten ein Feuerwerk ab. Anklagend, direkt und nach vorne gehend. Deutscher Hardcore vom Feinsten. Es geht u.a. um die Sinnlosigkeit von Krieg und über diejenigen, die davon profitieren.
Dazu findet Friedemann auch in seinen Zwischenansagen klare Worte : „Scheiß auf Israel und scheiß auf Palästina“. Am Ende sterben auf allen Seiten unschuldige Menschen, die von ihren Liebsten vermisst werden. Ob es sich um Israel, Palästina, der Ukraine, Russland, oder andere Nationen handelt, die sich zurzeit im Krieg befinden – am Ende profitieren immer nur die Reichen.
Es geht aber auch um das toxische Konsumverhalten der Menschen. Dazu bringt er das Beispiel von Bandshirts, die wir kaufen, welche teilweise unter völlig unwürdigen Bedingungen in Entwicklungsländern gefertigt werden.
Beim Song „Da! So seid ihr!“ wird die Ignoranz der Menschen unserer „Wohlstandsgesellschaft“ thematisiert. Leute, die nicht in der Lage sind, sich selbst zu reflektieren und stattdessen die Schuld für das eigene Versagen bei anderen suchen.
Es ist ein schmerzhafter Auftritt für die Seele des Zuschauers und das ist auch so gewollt. Trotzdem ist dies eine wichtige Kunst, die es in diesen Tagen viel öfter geben sollte. Ein Statement. Eine Show, die mir nachhaltig in Erinnerung bleibt und zum Nachdenken anregt. Hinter all der Wut des Sängers sehe ich eine ziemlich resignierte Melancholie, was den Zustand unserer Welt angeht.




Als nächstes gibt es christlichen Oi Punk aus Hamburg. Gegründet anno 1997 orientieren sich diese Skins größtenteils an Punkrock Klassikern und versehen sie mit neuem „christlichen“ Text. Die Songs tragen Titel wie „Skinheads in der Kirche“ und machen live richtig gute Stimmung.
Allerdings haben sie zwischendurch ein paar „technische Probleme“. Die ganze Truppe wirkt, als wenn sie vor der Show ordentlich vom heiligen Messwein gekostet hätte. 😉 Insbesondere einer der beiden Sänger ist nicht mehr so ganz stabil auf den Beinen. Es kommt, wie es kommen muss. Er stürzt und schafft es dabei, das Mikrofon zu zerstören. Zum Glück haben sie noch ein zweites dabei. Das tut der guten Laune allerdings keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil; Band und Publikum lachen sich eine halbe Stunde lang schlapp.
Leider spielen sie heute Abend nicht den Song „Für immer Christ„, der mir bei meiner Recherche vorher ausgesprochen gut gefallen hat. Auf jeden Fall hat das Publikum nach dem ziemlich ernsten Opener jetzt wieder ein Lächeln auf den Lippen.
LiLo: Nach dem Motto „Wer später kommt, kann eher gehn“, bin ich auch „schon“ da. Der Mo wurde schnell entdeckt, war leicht, schließlich durfte ich schon einen kleinen Bericht über seine Band schreiben und kannte daher seine Visage. 😉 Eine Überraschung gabs trotzdem für mich. Mo hat mir seine CD, Sticker und Buttons mitgebracht. Darüber hab ich mich riesig gefreut. Auch wenn wir niemals ne Gegenleistung für unsere Schreibereien erwarten – Geschenke sind einfach toll! 😀 So, nun erstmal rüber zum Kiosk, Kaltgetränk und labern.
Nun wird es wieder sehr politisch, mit dieser schon seit Mitte der 90er Jahre aktiven Combo aus Rheinberg. Ich habe sie schon 2-3 Mal gesehen und war immer sehr begeistert. So auch heute! Wir starten einen kleinen aber feinen Moshpit und die Jungs liefern den perfekten Soundtrack dafür. Es gibt eine bunte Mischung von neueren und älteren Liedern zu hören. Lieder wie „Schöner Scheitern“ oder „Staub“ vom aktuellen Album „Molotow Zitrone“ funktionieren dabei genauso gut wie die Klassiker. Soundtechnisch durchaus melodisch, doch in Sachen Wucht und Geschwindigkeit geht es in die Hardcore Richtung. Dabei gilt wie schon bei Kodder, klare Ansagen; kein Bullshit.
Bestes Beispiel dafür sind 2 meiner absoluten Lieblingssongs, die sie heute direkt nacheinander spielen. Zuerst das schon einige Jahre alte „Willkommen in Deutschland„. Der Refrain geht wie folgt:
„Willkommen in Deutschland
Wo Idioten aufmarschieren, und Lichterketten brennen
Um das Gesicht nicht zu verlieren
Willkommen in Deutschland
Der Eintritt, der ist frei, halts Maul und pass dich an
Und schon bist du dabei
Willkommen in Deutschland„
Als zweites dann die „Antifa“ Hymne schlechthin mit „Kein Teil„:
„Ich brauch kein Volk, sondern Gesellschaft. Ich brauch nichts von dem wonach ihr schreit. Ihr Mustermänner, Biedermänner, Populisten, Rattenfänger. Ihr seid das Volk, doch ich bin kein Teil von euch„
Dem ist nichts hinzuzufügen in meinen Augen. Hoffentlich bleiben uns die Jungs noch ganz lange erhalten !
LiLo: Mo wollte Fahnenflucht sehn. ich eigentlich auch. Allerdings war uns nicht klar, dass die Umbaupause verdammt kurz ist, sprich, keine 40 Minuten dauert. Wir also nach Fahnenflucht rein. Aber zackig! Darauf erstmal ein Bier! Voller Vorfreude plärre ich meine Bestellung übern Tresen. Oh, nur 4,50 jeweils. Das denke ich noch und drücke Mo ein Becherlein in die Hand. Wir prosten uns zu – und schauen irritiert. Ze Fix! Ich hab zwei Radler bekommen. Scheiß Sprachbarriere. Das ist mir ja noch nie passiert. „Ich geh mal was zu trinken holen“ sagt Mo und ich nicke betreten. Ja. Dann Prost. Jetzt sind wir aber angekommen und lauschen dem Programm.



Die nächste Band ist bereits seit Anfang der 80er Jahre aktiv und legen in ihren Songs eine ähnliche Radikalität an den Tag wie Slime. Es geht gegen straight gegen Staat, System und Polizei. Die Performance von Sänger Wally Walldorf zeugt von viel Bühnenerfahrung. Der Mann hat eine irre Präsenz und ich nehme ihm die Wut in jedem seiner Worte ab.
Ich für meinen Teil habe einen kurzen „Toten Punkt“ und schaue mir das Ganze entspannt aus sicherer Distanz an. Vorne geht es in Sachen Moshpit ordentlich ab. Die Leute kennen die Songs natürlich und singen laut mit. Von „Asozial“ bis „Polizeistaat„.



Nach ziemlich viel politischem Punkrock ist nun klassischer Oi aus London an der Reihe. Gegründet im Jahre 1978, gehören die Rejects den legendärsten Vertretern ihrer Zunft. Der Schlachtruf Oi! Oi! Oi!, der heute allgegenwärtig ist, wurde von ihnen maßgeblich geprägt, wenn nicht sogar selbst ins Leben gerufen (durch gleichnamigen Song). Die Brüder und Gründungsmitglieder Jeff und Mick Geggus sind noch immer am Start. Ersterer am Gesang und zweiter an der Gitarre.
Als klassischer Vertreter der Working Class haben sie noch immer ziemlich viele Fans in England. Sicherlich nicht zuletzt aufgrund ihrer Liebe zum Fußballverein Westham United. Ich sehe sie heute zum ersten Mal live und kenne nicht wirklich viele Songs. Mit ihrer wunderbar gut gelaunten Performance bringen sie mich allerdings schnell dazu, in den inzwischen ziemlich großen Pogo mit einzusteigen.
Gegen Ende gibt es die Punkversion der legendären Westham United Hymne „Forever Blowing Bubbles„. Ein Song, den man selbst als eingefleischter Liverpool F.C. Fan einfach nur lieben kann. Der wunderbare Refrain geht wie folgt :
„I’m forever blowing bubbles
Pretty bubbles in the air
They fly so high
They reach the sky,
and like my dreams they fade and die!
Fortunes always hiding
I’ve looked every where
I’m forever blowing bubbles
Pretty bubbles in the air!
United!
United!„




Zum Abschluss kriegen wir politischen Deutschpunk aus Celle auf die Ohren. Der Name war mir schon ein Begriff. Allerdings muss ich gestehen, dass ich ihre Songs vor ein paar Tagen zum ersten Mal angehört habe.
Um mich herum sind die Leute allerdings textsicher und der Moshpit ist vom ersten Song an wild. Ich bin natürlich wieder dabei. Mein Gedanke dazu: „Nasser als jetzt kann ich sowieso nicht mehr werden“. -> Spoiler-Alarm!!: Ich war hinterher sehr wohl noch „nässerer“. Scheißegal, es hat sich gelohnt.
Die Band wirkt sehr eingespielt und sie sind mit viel Herz bei der Sache. „Ich hoffe du findest was du suchst“ ist vielleicht der Song, der mich am heutige Abend am meisten berührt. Ein Lied über Mental Health und den manchmal schweren Weg aus Zeiten, in denen einem alles nur scheiße und grau erscheint. Im Original mit Gunnar von Dritte Wahl, es gibt dazu auch ein schönes Video.
Ein Song, über den ich mich sehr freue, ist „Punk bleibt Punk„. Ein Cover von Kotzreiz. Eine Band, die meines Wissens leider verstritten ist und zur Zeit nicht auftreten will/kann. Ich hoffe, dies wird sich nochmal ändern. Vor 2 Jahren standen sie noch auf der Bühne vom Damage Done Fest.
Bei „Brennende Barrikaden“ bündeln wir nochmal unsere letzten Kräfte. Im Publikum wird kollektiv geschubst, getanzt, umarmt und allgemein eskaliert.
Hinterher gibt es erstmal ein Getränk und gute Gespräche am „Kiosk gegenüber“. Dann geht es nach St. Pauli ins Semtex. Dort findet heute die „Aftershow Party“ statt. Es wird richtig guter Punk Rock aufgelegt, von Alarmsignal bis Pascow. Einige Sterni später geht es dann heim.
Es war ein wirklich schöner Tag mit ganz viel guter Musik; für gar nicht so viel Geld. Rund 40 Euro für 6 Bands, da kann man dieser Tage wirklich nicht meckern. Das Event war gut organisiert und die Stimmung sehr entspannt. Das „Damage Done Fest“ findet einmal im Jahr statt und ich kann es Euch nur wärmstens ans Herz legen.
LiLo: Der Kiosk gegenüber ist auch für mich ein Treffpunkt für ein Bierchen nach dem Konzert und ein bisschen „ratschen“, wie das bei uns im Süden heißt. Während die Vernünftigen unter uns sich auf den Heimweg machen, will ich natürlich noch mit Finn und seinem Kumpel ins Semtex. Ein kleiner Abstecher aufn Kiez und ein Flitzer über die Reeperbahn gehören zum Hamburg-Wochenende einfach dazu!
Ich sag Euch eins, wir können so froh sein, dass Finn uns auf Konzerte mitnimmt und so detailreich darüber schreibt. Ich könnte das überhaupt gar nicht. Meine Wenigkeit ist beschäftigt mit Bier holen, rauchen, draußen rumstehen, labern. Wenn ich dann mal ne Band sehe, dann könnte ich mir die gespielten Songs nicht merken. Gar nicht mal aus Desinteresse, aber es ist einfach so viel drumherum. Was ich aber dieses Mal definitiv mitgekriegt habe: Bands TOP, Stimmung SUPER, alles entspannt. Das kann man sich gern für nächstes Jahr mal vormerken!
Danke für den Bericht, mein lieber Finn!