Bisher hatte ich nur beim Ruhrpott Rodeo die Gelegenheit, Pascow zu sehen, aber immerhin schon zwei Mal und dort habe ich sie 2022 dann auch für mich entdeckt.
Vergangenes Jahr waren sie im Hamburger Knust und bis die Karten weg waren, konnte man noch nicht mal „Punk Rock“ sagen. Ich war viel zu langsam.
Dann ließ die Band verlauten: „Wir machen eine live Pause“. 🙁 Um so schöner, dass vor ein paar Monaten dann doch die Ankündigung einer Tour kam, allerdings nicht irgendeine Standard-Tour: Sie haben sich zehn Clubs ausgesucht, in denen sie in ihrer langjährigen Karriere noch nie gespielt haben. Unter anderem geht es nach Bautzen, Cottbus und zu meinem Glück auch nach Schwerin, das ist ja nicht allzu weit von Hamburg entfernt.
Ein kleiner Wermutstropfen war bei der Ankündigung, dass ich beim Vorverkaufsstart im Büro sein würde und keine Möglichkeit hätte, Karten zu erwerben. Hier kommt nun mein guter Freund Philipp ins Spiel, der hat für uns mit etwas Glück und viel Einsatz zwei Karten für diese besondere Show ergattern können. Das Komplex ist Schwerin ist nämlich ein ziemlich kleiner Club. Ich habe jetzt keine genauen Daten, würde aber nach dem Besuch heute die Kapazität auf rund 200 Zuschauer schätzen. Man kann sich vorstellen, dass die Karten für eine Band mit einer inzwischen so großen Popularität (zumindest in unsere Szene) fast augenblicklich nach Verkaufsstart vergriffen waren. Insofern vielen Dank fürs organisieren!
Das ist aber noch nicht alles, denn Philipp fährt uns heute auch mit dem Auto nach Schwerin und wieder zurück. Und das, obwohl wir beiden sonst so gerne zusammen Bier trinken – Ehrenmann.

Für mich gibt es auf der Fahrt natürlich trotzdem das eine oder andere Kaltgetränk. Damit ist die Rollenverteilung wie bei den Fahrten zum Rodeo. Ich trinke , mache den DJ und Philipp fährt. Nach knapp eineinhalb Stunden sind wir da. Nun wird erst mal der örtliche Dönerladen getestet und anschließend gibt es einen Glühwein – direkt am Wasser mit Blick auf das Schweriner Schloss.


Wir sind pünktlich zum Einlass am Club. Ich war mir vorher nicht ganz sicher, was mich erwarten würde, als in Hamburg sehr privilegierter (nicht unbedingt super mutiger) linksversiffter Gutmensch. Ich trage sogar zum ersten mal überhaupt auf einem Punk Konzert ein Hemd, aber meine Sorge ist absolut unbegründet. Die Stimmung ist sehr herzlich und familiär und keine Spur von Faschos. Die Hauptfrage ist nun, überlebt mein Hemd diesen Abend?? 😉
Der erste Weg führt zum Merch Stand um einen „massiven Mangel“ zu beseitigen. Ich habe gefühlt 1000 Bandshirts im Schrank, aber noch keins von Pascow. Ich besorge mir das Shirt mit dem Motiv, was oben im Titelbild zu sehen ist.
Die Garderobe kostet gerade mal einen Euro, bei uns in Hamburg inzwischen – leider auch in kleinen Clubs – undenkbar. Den halben Liter Sternburger gibt es sogar schon für 2 Euro, ein Paradies für passionierte „Punk Rocker“. Ansonsten gibt es neben der Garderobe noch einen Raucherraum. Das „Komplex“ ist ein total schöner und schnuckeliger kleiner Laden, zu dem auch ein Wohnprojekt, Café, Probe- und Seminarräume, sowie eine Näh- und eine Fahrradwerkstatt gehören. Die Mitarbeiter:innen machen einen sehr netten Eindruck und es ist natürlich auch ein Statement von Pascow, dass sie hier in diesem gemütlichen Laden spielen und nicht in einer deutlich größeren Location.


Als Support ist heute diese frische Punk Band aus Stuttgart am Start. Am 29.08.2025 haben sie ihr zweites Album „Kaltental“ veröffentlicht. Sowohl der Album-Titel, als auch der erste Track Keine Erlösung dieser Scheibe geben die Richtung ganz gut vor. Die Texte sind düster, manchmal schon apokalyptisch düster. Also eigentlich ziemlich in der Tradition der letzten Pascow-Alben. Die Sängerin hat eine markante Stimme und transportiert die Inhalte mit ordentlich Druck.
Im Folgenden ein Beispiel, wie politisch viele Songs von ihnen sind. Hier ein Auszug aus „Pflugscharen zu Schwertern“:
„Panzerfeelings in der ganzen Republik
Endspiel Ideologie
Erst kommt die Angst, dann die Regression
Ein ganzes Volk braucht Therapie
Ich habe das Ende geseh’n
Im kollektiven Wahn werden sie untergeh’n
In Kaltland läuft die Rüstung wieder heiß
Und alle woll’n den Scheiß
Und alle woll’n den Scheiß„
Thematisch also sowas von am Puls der Zeit, dass es fast schon weh tut. Insofern also ein würdiger Opener für das, was gleich noch folgen sollte. Berlin 2.0 ist auf jeden Fall eine Band, die ich mir zu Hause mal noch in Ruhe anhören werde.



Gegen 21 Uhr betreten die Jungs von Pascow die Bühne mit dem Song Monde vom aktuellen Album „Sieben„. Ein Song über das „Stadtbild“, allerdings nicht über das, von welchem der Herr Merz spricht. Es geht darum, wie die Städte mit den Jahren immer gleicher „gemacht“ worden sind. Egal in welcher Innenstadt man heutzutage bei uns in Deutschland ist, die Geschäfte sind eigentlich überall die gleichen. Große Ketten, geführt von großen Konzernen, die kleinen Läden immer öfter die Existenzgrundlage zu zerstören drohen. Egal ob nun Eckkneipe oder kleiner Buchladen, alle sind bedroht. Ein Umstand, den Pascow nicht einfach so akzeptieren wollen und deshalb singen sie dagegen mit Leidenschaft an:
„Und wenn die Städte alle gleich sind
Gehen wir nicht mehr hin
Denn sie sind öde wie ein Mond
Und schmückt sie nicht mit Elend
Das niemals für euch war
Wo ich gestern Nacht auf’s Maul bekam
Ist jetzt ’ne Juicy Bar„
Die Stimmung ist toll, man merkt den Zuschauern an, wie viel ihnen der Auftritt der Band in dieser Location bedeutet.


Königreich im Winter ist einer meiner absoluten Lieblingssongs von Sieben. Vorgetragen zusammen mit Gastsängerin Clara Krum und mit den typisch kryptischen Pascow-Texten. Es sind Texte bei denen man manchmal erstmal 2-3 Mal hinhören muss, bis man sie wirklich versteht. Auf dem zuvor genannten Album beschäftigt sich die Band eindringlich mit dem Thema (finanzielle) Armut. Wie Sänger Alex im Interview mal gesagt hat, nicht unbedingt „autobiografisch“ und doch so intensiv, dass es an vielen Stellen des Albums wirklich weh tut. Das ist von meiner Seite absolut als Kompliment zu verstehen. Gute und ernste Kunst darf und muss manchmal einfach weh tun. Sie legen den Finger bewusst in die Wunde und verstehen dies auf meisterhafte Art zu tun :
„Es ist schon kalt und es wird bald schneien
Weh all denen, die jetzt kein Zuhause haben
Wir hatten kleine Leben, aber große Fressen
Rotwein mit Ei vorm Mittagessen
Weh all denen, die jetzt kein Zuhause haben„
Es ist ein Kampf gegen die Gleichgültigkeit unserer Zeit, gegen das „ist doch alles egal“. In den Werken von Pascow ist nichts „egal“. Sie stehen in ihren Text für Menschlichkeit und Empathie ein und singen gegen Krieg und Ausbeutung.
Im weitere Verlauf des Sets gibt es auch eine ganz Reihe Klassiker zu hören wie Äthiopien die Bombe, Wenn Mila schläft und An die Maulwürfe. Egal ob neu oder alt, alles wird frenetisch vom Publikum gefeiert. Es ist ein wilder und doch super sozialer kleiner Moshpit, mit ganz viel Liebe im Raum. Ein absoluter Live Knaller ist auch jedes Mal wieder Mailand. Leicht resigniert und doch weiterhin mit unbändiger Wut singen wir zusammen :
„Politik hört einfach auf
Du weißt es und du siehst es auch
Dass Hamburg heute Nacht Angst hat
Vor den letzten Anarchisten dieser Stadt„
Trotz der ernsten Thematiken haben sowohl Band, als auch Fans alle ein Dauergrinsen auf den Lippen. So ein Konzert ist halt (zumindest für mich) besser als jede Therapiestunde. Einfach mal den ganzen Ärger zusammen rausschreien. Mir hilft das immer sehr. So auch am heutigen Abend.
Bei Kriegerin vom Album „Jade“ explodiert der Laden förmlich. Ein Song, der sich in den ersten Sekunden langsam aufbaut und dann wirklich jede Hütte vom Saarland bis Hamburg zum Brennen bringt. Er endet mit den Worten :
„Dieses Unrecht hier
schuf Geld und Angst und dann
eine Kriegerin„
Im Anschluss wird es deutlich ruhiger und ziemlich emotional, denn Clara Krum spielt alleine und nur mit Gitarre bewaffnet Wunderkind. Ein Song über das anders sein, nirgendwo reinzupassen, aber doch zu sich selbst zu stehen und sich nicht der Masse zu beugen. Das eigene anders sein zu feiern und sich von den bösen Worten vieler Menschen nicht unterkriegen zu lassen. Im Original singt Alex; Claras Version ist aber auch toll. Ein Lied mit dem ich mich gut identifizieren kann und augenscheinlich viele andere im Raum auch. Er beweist mal wieder, was für lyrische und poetische Meisterwerke diese Band immer wieder schafft:
„Was sie in hundert Liedern singen
Dieses Leben kennst du nicht
Noch niemand wird je glücklicher
Als du’s gerade bist„
Mit Silberblick und Scherenhände kommen wir direkt wieder auf Betriebstemperatur und es folgen : Gottes Werk und Teufels Beitrag, Mond über Moskau und To doof to fuck. Zum Abschluss (quasi als Zugabe) gibt es schließlich noch Paris fällt, Daniel und Hermes und Trampen nach Norden.
Das Hemd tropft und ich bin glücklich! Was für ein wunderbarer Auftritt! Auf dem Weg nach Hause nehmen wir noch unseren Freund Oli mit und lassen den Abend bei guter Musik Revue passieren.



Das Komplex ist ein toller Club, den ich nur empfehlen kann. Alles wirkt mit sehr viel Liebe gemacht und die Preise sind wirklich gut. Berlin 2.0 sollte man auf jeden Fall im Augen behalten und Pascow kann man nur das allerbeste wünschen. Eigentlich müssten sie noch mehr Aufmerksamkeit bekommen, allerdings sind dafür wohl die Texte etwas zu „komplex“ für manche. Dazu sei noch erwähnt, dass die Eintrittskarten bei ca. 20 Euro lagen und für Leute mit wenig Geld gab es auch welche für 10 Euro. Man merkt, dass die Band ein Anliegen hat und ich kann allen nur empfehlen, sich einen ihrer Auftritte anzuschauen.
Hoffentlich dann auch wieder in Hamburg, da MUSS ich hin, und wenn ich mir fürs Ticket kaufen frei nehmen muss 😉