
Das Internet hat ja so seine Vor- und Nachteile. Ein großer Vorteil ist heutzutage die Möglichkeit, sich zu vernetzen, auszutauschen und – obwohl örtlich getrennt – an gemeinsamen Projekten zu arbeiten. Über diese digitale Verbindung zwischen Schleswig-Holstein, Bayern und Baden-Württemberg haben sich im Jahr 2020 Die Erwins gegründet.
Die Bandmitglieder …
… von Die Erwins sind in der deutschen Punkrock-Szene keine unbekannten Musiker und die Namen sagen euch höchstwahrscheinlich von ihren zahlreichen Projekten etwas:
Tim / Gitarre (Scobben, Der Tim) : Ein musikalisches Perpetuum Mobile und absolute Frontsau.
Jente / Gitarre (Tante Inge, Talcomania): Pädagoge und Vermittlungsbüro.
Marky / Bass (Moms Day & andere Projekte): Hat den Punk bereits mit der Muttermilch aufgesogen.
Steffo / Schlagzeug (ehemals Sendeschluss): Hektische Hände und Füße auf der Bühne, ansonsten unser Ruhepol.
Jetzt fragt ihr euch bestimmt, wo denn der Gesang geblieben ist!? Ursprünglich war noch Michel (Untergangskommando, Wilde Zeiten) mit von der Partie. Inzwischen haben sich die Wege getrennt, Michel konzentriert sich wieder mehr auf Wilde Zeiten.
„Unser letztes Album war sehr spannend, da wir das erste Mal ohne festen Sänger aufgenommen hatten. Im Vorfeld haben wir uns schon Gedanken gemacht ob wir jemand Neues suchen sollen, ob jemand von uns den festen Gesang übernimmt oder wie wir das aufteilen.“
So kam es zu der Besonderheit, dass jeder der drei Songwriter, also Tim, Jente oder Steffo jeweils seine eigenen Songs singt. Das sorgt für sehr unterschiedliche Songs und eine weitgefächerte Palette an Themen. Die Arrangements zu allen Songs macht jedoch Tim so, dass das Ganze trotzdem wie aus einem Guss klingt.
Alben & Songs
Nun gibt es die Combo erst seit vier Jahren, aber sie können schon auf eine ganze Latte an Veröffentlichungen zurückblicken. Neben dem sehr erfolgreichen Debüt-Album Vergiss die Welt haben sie 2023 nachgelegt und das Album Endlich Punkrock veröffentlicht. Beide Platten sind bei Pauli Punker Records erschienen. Dazu gab es zahlreiche Sampler-Beiträge sowie Besuche und Live-Auftritte bei Punk-Radiosendern.
Thematisch behandeln Die Erwins die ganze Bandbreite einer guten Punk-Band. Mit den Songs kann man sich gut identifizieren und es werden Erinnerungen an die eigene Biographie wach. Ganz vorn dabei ist da der Filmriss, den die meisten von uns wahrscheinlich schon hatten oder die Erlebnisse eines unvergesslichen Sommers, wie im Song Sommer ’92. Die Fragen über Fragen die uns alle jeden Tag quälen oder die geheime/gemeine und schüchterne Liebe, wie sie in Er war so jung besungen wird. Und natürlich zeigen sie mit Songs wie Ich hab’s geträumt auch ganz klare Kante gegen Rechts.
AUSGEFRAGT!
Auch unsere 4 Erwins mussten sich der üblichen Prozedur unterziehen und ein paar Fragen beantworten. Vielen lieben Dank dafür, besonders an Jente, der für uns die Antworten zusammengefasst hat.
FdP: Gebt uns 5 Worte, die euch beschreiben. Erwins: TheClash, dieTotenHosen, Freundschaft, Punkrock, MarkyJenteSteffoTim.
FdP: Wie habt ihr euch im Internet gefunden? Jente: Da war einer, der einen kannte, der von einer gehört hätte, die hätte da jemand… Ein Name war schnell gefunden: Ich wollte schon immer irgend etwas haben, das Erwin heißt. Bei den Namen der Kinder und diverser Haustiere konnte sich das allerdings nie durchsetzen.
FdP: Wer hat Euch beeinflusst oder tut es noch? Jente: Ich kann da jetzt nur von mir selbst sprechen. Die Toten Hosen haben einen großen Anteil an meiner musikalischen Entwicklung, da sie auch meine Pubertät und Jugendzeit geprägt haben. Das erste Mal „Ein kleines bisschen Horrorschau“ im Zimmer eines Kumpels. Das Intro von Beethoven, der Schrei, das Intro zu „Hier kommt Alex“ … ich kann mich noch an jedes Detail erinnern. Im Laufe der Jahre sind aber so viele unterschiedliche Bands, Musikrichtungen und auch Erfahrungen zusammengekommen, dass sich das nicht mehr so leicht beantworten lässt.
FdP: Was bedeutet Punk heute für dich? Jente: Ich denke nicht, dass Punk ausstirbt, da er sich ständig weiterentwickelt. Grundsätzlich bin ich sehr für Fortschritt und Entwicklung, manche Dinge gehen mir allerdings zu schnell und wollen auch mit einer gewissen Aggressivität durchgesetzt werden. Da kann ich mich dann auch mal zurücklehnen und sagen: Lass das mal die jungen Leute machen.
FdP: Wie siehst du das aktuelle Geschehen in der Szene? Jente: Grundsätzlich sind Awareness, Gleichberechtigung und auch Toleranz und Verständnis für die queere Szene Dinge, die ich persönlich unterstütze. Das Gendern kann ich mir nicht angewöhnen, weil es mir sprachlich schwerfällt – vor allem wenn man Texte schreibt, ist es schwierig, da alles unter einen Hut zu bringen. Es ist aber so, dass sich Sprache ständig weiterentwickelt und irgendwann wird man eine Lösung finden, die für alle funktioniert. Dann wird das ganz natürlich in den allgemeinen Sprachgebrauch übernommen und irgendwann regt sich auch niemand mehr drüber auf. (Siehe Rechtschreibreform – war ein Riesenthema damals, redet heute kein Schwein mehr drüber).
FdP: Wie kriegt ihr die Leute dazu, Merch und Platten zu kaufen? Erwins: Leider ganz schlecht. Geht aber nicht nur uns so. Platten werden fast gar nicht mehr verkauft. Streaming läuft so naja und Konzertbesuche hängen von ganz vielen unterschiedlichen Faktoren ab: Ort, Location, Gegenveranstaltungen usw.
FdP: Wie war der erste Gig mit den Erwins? Jente: Das war in Neustadt / Holstein. Für mich bislang die weiteste Strecke, die ich je für einen Auftritt hingelegt hatte. Das war mitten während Corona, es war nur sehr wenig Publikum zugelassen, das durch Klebebandstreifen auf dem Boden voneinander getrennt wurde. Alles recht surreal. Aber die Stimmung war unglaublich gut, vor allem, weil es auch für das Publikum etwas Besonderes nach längerer Durststrecke war.
FdP: Wie läuft bei euch so ein Tourwochenende ab? Erwins: Meistens haben zumindest drei von uns (je nachdem in welche Richtung) sehr lange Anfahrtszeiten. Oft ist es so, dass wir vor dem Gig noch eine Möglichkeit zum Proben haben. Nach dem Gig ist meistens exzessives Feiern angesagt, dann ausschlafen, Frühstück und dann muss man ja meistens schon wieder irgendwo hin zum Aufbau, Soundcheck und so weiter. Dann exzessives Feiern, Ausschlafen, Frühstücken und lange Heimfahrt. Alles recht unspektakulär. Die Unterbringung erfolgt meist privat; für das pennen auf ner Isomatte unter der Bühne sind wir einfach zu unbeweglich geworden.
FdP: Mit wem würdest du gern mal ein Bier trinken? Jente: Puh…. Als 20 Jähriger wären mir da sicher einige eingefallen. Im Laufe der Jahre habe ich ein paar meiner früheren Vorbilder getroffen und festgestellt, dass die auch nur mit Wasser kochen. Ansonsten hatten wir ein paar super Auftritte (z.B. in Monheim mit Torpedo Mayer und in Wien mit den Böslingen und den ZsaZsa Gabors). Da würde ich mich auf jeden Fall sehr freuen, die wieder mal zu sehen.
FdP: Unterstützt ihr soziale Projekte? Erwins: Wir sind da mittlerweile etwas zurückhaltender geworden. Anfangs haben wir für jede Anfrage einen Song beigesteuert. Vieles ist aber im Sande verlaufen und wir hatten irgendwann das Gefühl, da etwas überpräsent zu sein und teilweise auch ausgenutzt zu werden. Im Prinzip freuen wir uns über jede Anfrage, allerdings prüfen wir heute genauer, ob das Thema oder die Organisation zu uns passt.
FdP: Was wolltest schon immer mal in die Welt posaunen? Jente: Gitarren stimmen ist nur für Anfänger!!!
Kontakt: dieerwinsbooking@gmail.com
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Infos & Bildrechte: Die Erwins
Autorenteam: Sega & Lieselotte