Jack Pott machen Punkrock mit elektronischen Einflüssen und spielen heute einen der letzten Gigs von ihrer „Der letzte Hass“ Tour. Eröffnet wird das Konzert von einer Singer Songwriterin aus Hamburg.
Ich erinnere mich noch an das erste Konzert, das ich von den Herren gesehen habe. Es war Dezember 2022 und ich kannte vorher weder die Band, noch das Lübecker „Treibsand“. Durch einen damals neuen und inzwischen sehr guten Freund bin ich spontan einfach mal mitgekommen und war schwer begeistert. Hinterher habe ich ihr Album „Bomben über Disneyland “ auf Vinyl erworben und einige Monate lang rauf und runter gehört.
Heute ist ein sonniger Tag in Hamburg. Einer dieser Tage im Herbst, an denen man als Hamburger denkt „Könnte der letzte schöne Tag dieses Jahr sein, an dem man noch draußen sitzen kann“. So klingelt mich dann auch schon gegen Mittag mein guter Freund an, ob man sich nicht vor der Show auf ein paar Kaltgetränke an der Alster treffen möchte?
Gesagt getan. Vom Hauptbahnhof sind es nur ca. 5 Minuten Fußweg bis zur Innenalster. Dort kann man prima auf den Steinen am Wasser sitzen, über das Leben philosophieren und die Sonne genießen. Zudem ist es eine deutlich günstigere Alternative zum „vorglühen in einer Bar“, da man seine Dosenbiere einfach von zuhause mitbringen kann.
Hinterher geht es dann zur U-Bahn Station Feldstr, die quasi nur einen Steinwurf entfernt ist von Knust und Millerntor Stadion. Schnell noch einen leider extrem schlechten Döner auf die Hand und ab in die gute Stube. Inzwischen ist es draußen auch dunkel und kühl geworden.
Die Show ist ausverkauft und die Garderobenschlange durchaus lang. Allerdings ist das Personal im Knust einfach top und es geht schnell voran.
Mir kommt der Name sofort bekannt vor. Als sie dann den ersten Song spielt, fällt mir ein, dass ich sie vor 1-2 Jahren schon mal auf dem Reeperbahn Festival gesehen habe. Dort hat es mir gut gefallen und auch heute legt sie einen tollen Auftritt hin. Inhaltlich ziemlich nachdenklich und melancholisch erzählt sie uns von ihrem Leben, mit einer tollen Stimme. Sehr sympathisch kommt sie ebenfalls rüber. Sie signalisiert uns eine gewisse Aufgeregtheit und Unsicherheit.
Eigentlich will sie laut eigener Aussage ihre Songs gerne mit tollen Ansagen einleiten. Aber dann verliert sie (ebenfalls laut eigener Aussage) öfter gerne mal den Faden. Mit dieser Ehrlichkeit rennt sie beim Publikum offene Türen ein und wir feiern sie 🙂 Auf Youtube kann man sich ein Video zu ihrem Song „An der Bar“ ansehen. Dieser ist mir nachhaltig in Erinnerung geblieben. Es geht um unliebsame Männer, die versuchen, Jule anzumachen, obwohl sie doch eigentlich nur in Ruhe an der Bar sitzen will. Ein sehr eindrucksvoller Song.
Nach einer guten halben Stunde verabschiedet sie sich von uns und bekommt ihren wohlverdienten Applaus. Im vergangenen Jahr hat sie mit „Im Regio weinen“ ihre erste EP veröffentlich und bald soll wohl ein Album folgen. Diese Künstlerin ist absolut zu empfehlen!
Gegen 21:45 geht es weiter mit ein paar Songs vom Band zum einheizen, unter anderem das von mir sehr geliebte „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ von Pascow.
Als Intro fungiert dann der Song „Fass mich nicht an“ von Jack Pott und Tyna. Die Band spricht aus der Sicht eines übergriffigen Typen auf „Frauenjagd“. Er sucht sich seine „Beute“, baggert die Frauen an und schreckt auch nicht davor zurück, den Frauen K.O.-Tropfen in die Drinks zu mischen. Auf der Albumversion übernimmt Tyna den Refrain und wehrt sich mit klaren Worten:
„Ey, was kommst du mir so nah?
Fass mich nicht an
Das war doch nicht aus Versehen
Fass mich nicht an
Steck deine Sprüche sonst wo hin
Fass mich nicht an
Du arrogantes Macho-Schwein
Fass mich nicht an“
In der heutigen Live-Version fordern Jack Pott in den Strophen hingegen ein solidarisches Miteinander für den Abend. Das sollte im späteren Verlauf des Abends tatsächlich auch sehr gut klappen.
Zum Einstieg gibt es dann erstmal 1-2 Nummern vom aktuellen Album „Hass im Ärmel“, auf dem beim heutigen Set der Hauptfokus zu liegen scheint. Dazu muss ich persönlich gestehen, dass mir „Bomben über Disneyland“ etwas besser gefallen hat. Aber auch das aktuelle Album ist alles andere als eine „4 von 10„. So heißt meiner Erinnerung nach der erste Song vom Auftritt.
Der erste richtige Liveknaller lässt dann auch nicht lange auf sich warten. „Am Ende meiner Leitung“ vom ersten Album zündet den Moshpit endgültig an. Ein Song über digitale Liebe, die dann im echten Leben oft doch nicht funktioniert. Ich fühle den Song „leider“ total.
„So Indie“ funktioniert live auch ziemlich gut. Ein Song über gefällige Melodien fürs „Erfolgreich werden“ und dass sowas ja eigentlich gar nicht so schwer sein kann. Am Ende will den schönen Song allerdings dann doch keiner hören bzw. abspielen. 🙁
Einen noch älteren Klassiker packen sie mit „Scheiße wieder verkackt“ aus. Dazu gibt es auch ein saugeiles Musikvideo von der Reeperbahn. Party, schlechte Entscheidungen, Absturz und doch eine unverwüstliche gute Laune. Thematiken, die sich wie ein roter Faden durch die Werke der Band ziehen. Songs, die einfach Spaß machen.
Wie vorher schon angedeutet ziehen sie auch am heutigen Samstagabend ein tolles und bunt gemischtes Publikum an. Auch erfreulich viele Frauen. Es gibt ja doch auch genug Punkbands, bei denen gefühlt 90 Prozent nur Männer sind. Jeder darf seine aufgegangenen Schuhe in Ruhe zumachen und alle sind freundlich und sorgsam miteinander. Dafür gibt es eine glatte 10 von 10 von mir! 😉
Mein Problem ist mal wieder das „Klima“. Ich schwitze wie Sau und mir rutschen ständig die Ohrstöpsel raus. Sowas hemmt mich dann im Pit leider ziemlich. Meine Ohren sind empfindlich und anfällig für Entzündungen. Insofern kriege ich da dann gerne mal etwas Paranoia, krank zu werden. Ich ziehe mich für 2 Songs nach ganz vorne „zurück“ und mach Tanzpause.
Bei „Du machst den Punk kaputt“ sind dann die Sorgen auch erstmal wieder weg. Ich bin mitten im Pit und fühle mich pudelwohl. Mit „Urlaub auf meinem Balkon“ darf natürlich das vielleicht ikonischste Lied der Jungs nicht fehlen. Es geht darum, zu wenig Geld für „Urlaub im Süden“ zu haben und trotzdem das Beste draus zu machen. Der Refrain lädt zum Mitgrölen ein:
„Ich würd so gerne wieder in den Urlaub fahr’n. Nur du und ich, zu zweit auf der Autobahn. Doch so wie die allermeisten, können wir uns das gar nicht leisten. Also doch, also doch…….Urlaub auf meinem Balkon, lalalalala…„
Zwischendurch kommt der Sänger ins Publikum und singt mit uns einfach mal „Don´t look back in anger“ von Oasis. Mit „Nadine“ beweisen sie, dass sie nicht nur „laut und nach vorne“ können, sondern auch richtig Geschichten zu erzählen haben . Nadine startet in jungen Jahren eine Coverband und wird tatsächlich von einem Manager entdeckt und unter Vertrag genommen. Nun geht es von Neubrandenburg nach Berlin und der große Durchbruch scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Dann floppt allerdings das Album und sie wird wieder fallengelassen. Am Ende spielt sie doch wieder Coversongs auf Volksfesten. Sicherlich ein Song, mit dem sich viele Musiker identifizieren können.
Zum Ende hin gibt es dann zwei meiner absoluten Lieblingssongs. Den Anfang macht „WTS“ (Wir tanzen scheiße). Wieder ein Werk über exzessives Feiern und den Kater danach. Wie so oft geschrieben, mit einem leichten Augenzwinkern und doch auch mit einer erstaunlichen Schonungslosigkeit.
Das (scheinbar) große Finale kommt anschließend mit „Alle meine Freunde„. Ein Song über das „älter werden im Punk“. Es geht um Freunde, die sich abwenden und „bürgerlich“ werden, während man selbst noch immer das macht, was man immer gemacht hat. Auf Konzerte gehen, Pogo tanzen, singen, Dosenbier trinken und die Spießer auslachen. Ein harter, aber wie ich finde, noch immer sehr schöner Job!
Der letzte Song ist es allerdings doch nicht gewesen. Eine Bierbank kommt auf die Bühne und mit ihr zwei Vertreter der Combo „Monsters of Liedermaching“. Gemeinsam mit Jack Pott geben sie das „Seefahrerlied“ der Monsters zum Besten. Ein wunderbarer Abschluss.
Jack Pott sind eine noch immer junge und frische Band mit – in meinen Augen – riesigem Potenzial nach oben. Ende letzten Jahres haben sie zum ersten Mal die Kulturwerft Gollan in Lübeck mit mehreren 1000 Leuten voll gemacht. In den Jahren davor hatten sie mehrere ausverkaufte Konzerte im Lübecker Treibsand. Heute zum ersten Mal ein ausverkauftes Knust = Größtes Hamburg-Konzert bisher.
Fazit: Eine tolle Stimme für ein soziales Miteinander mit viel Humor und eine absolut energetische Liveshow. Ich wünsche den vier Jungs, dass sie es bis ganz nach oben schaffen. Es gab heute auch 2 neue Songs zu hören. Die Namen weiß ich nicht mehr, aber sie machen richtig Bock auf das neue Album.
Am 13.12.2025 spielen sie wieder in der Lübecker Gollan Werft. Ich kann das Konzert allen Leuten aus dem Norden nur ans Herz legen. Auch wenn sie dieses Mal harte Konkurrenz haben. Am gleichen Tag spielen nämlich Slime und Betontod in Hamburg.
Für uns geht es anschließend noch in die hier schon oft erwähnten Punkerkneipen „Gun Club“ und „Semtex“, die ich an dieser Stelle nur auch wieder wärmstens empfehlen kann. Nette Leute, gute und preiswerte Getränke und schöne Musik.