Montreal in Hamburg 2024

Heute ist Samstag der 21te Dezember und wir machen uns auf in die altehrwürdige Hamburger Markthalle.

Sie ist nur wenige Gehminuten vom Hauptbahnhof entfernt. Sprich auch für Leute von außerhalb sehr gut zu erreichen. Es regnet wie so oft dieser Tage in Hamburg, aber das kann meine Vorfreude nicht schmälern. Mein letztes Konzert dieses Jahr. Einmal noch alles geben. Ich war bis Mitte des Jahres gar nicht so ein großer Fan von Montreal. Aber dann hab ich sie auf dem diesjährigen Ruhrpott Rodeo und dem Wutzrock Festival gesehen und festgestellt, sie sind eine absolute Live Band. Man merkt ihnen die 20 Jahre Bühnenerfahrung sofort an. Anschließend habe ich mich mit der Musik nochmal näher befasst und bin inzwischen von vielen ihrer Songs sehr begeistert.

Es passen ungefähr 1000 Menschen in die Location. Der Laden ist ausverkauft und die Leute sind mir schon in der Schlange direkt sympathisch. Sprich es scheint alles gerichtet für einen tollen Abend.

Montreal in Hamburg 2024

Treptow:

Los geht es mit dieser Alternative/Punk Band aus Berlin, Treptow-Köpenick. Den Berliner Slang hört man auch sofort raus. Gegründet haben sie sich 2017 und die Band besteht nur aus 2 Leuten. Philipp Taubert an Gesang und Gitarre, Lukas Lindner am Schlagzeug und teilweise auch am Gesang. Philipp hat eine tolle Stimme und der Sound ist eher Indie als Punk. Auch hat das ganze was von Singer Songwriter. Die Texte sind vielseitig.

Zudem bezieht die Band politisch klar Stellung und die Ansagen sind charismatisch. Es wird getanzt, aber (noch) nicht gepogt. Die Stimmung ist gut und es gibt am Ende viel Applaus. Mir macht der Auftritt große Lust, mir direkt mal die beiden bisher erschienenen Studio Alben : „Besser selbst als gar nicht“ (erschien 2017) und „Von der Zukunft vor dem Fall“ (erschien 2021) anzuhören.

Montreal:

Gegen 21 Uhr betreten die Herren Sebastian, Yonas und Maximilian (alias „Max Power“) die Bühne und es geht direkt sehr wild ab. So schön die Markthalle ist, die eigentliche Tanzfläche ist zum Pogen einfach zu klein. Dazu muss man wissen, dass die Markthalle aus sehr vielen (aufsteigenden) Stufen besteht. Auf denen kann man auch super sehen. Die Tanzfläche ganz unten ist dafür leider ziemlich eng. Auf diese wollen heute aber gefühlt alle Hobby „Schubser“ der Stadt.

In den ersten 3-4 Reihen wird man zu Anfang schon ziemlich „zerquetscht“. Nach ein paar Songs bessert sich die Lage aber etwas. Man merkt, dass ein paar Leute auf die Treppen geflüchtet sind. Schon früh kommt mit „Zucker für die Affen“ ein absoluter Hit. Ein Abgesang auf angebliche Abschiedstouren von Bands, die dann Monate später auf magische Weise schon wieder ihr Comeback feiern. Statement von Montreal dazu „Wir lösen uns nicht auf, also müssen wir auch keine Reunion Touren machen“. Das bleibt zu hoffen. Man merkt den dreien an, dass sie sich scheinbar sehr gut verstehen. Allerdings sind die Sänger laut eigener Aussage am heutigen Tage etwas krank. Das merkt man den Stimmen an. Trotzdem geben die Jungs alles und das Publikum singt jede Zeile lautstark mit.

Ein weiter Lieblingssong von mir, den sie spielen, ist „Kino“. Ein Song gegen das Spießbürgertum, was Samstagabend mit Popcorn im Kino einschläft. Ein Song für das „unvernünftige“ Leben. Für Blut von fremden Menschen auf dem Shirt und für das wilde Tanzen bis spät in die Nacht. Ansage dazu von Montreal „Ihr seid heute Abend bei uns, sprich ihr habt alles richtig gemacht“. Insgesamt spielen sie eine bunte Mischung aus ihrer musikalischen Geschichte.

Allerdings liegt der Schwerpunkt durchaus auf dem aktuellen Album „Am Achteck“ nichts neues, welches dieses Jahr erschienen ist. Davon spielen sie locker 5-6 Songs. Es ist unglaublich heiß im „Ring“ von unserem kleinen Kolosseum. Ich bin mit 3 guten Freunden im Pit und merke wieder mal, wie schön das ist, wenn man so einen Abend mit guten Leuten zusammen erleben kann und auch gegenseitig etwas aufeinander aufpasst.

Die Show geht knapp 2 Stunden. In der Zugabe kommt mit „Tag zur Nacht“, mein absoluter Lieblingssong von Montreal. Wieder geht es um lange Nächte auf der Piste und den anschließenden „Walk of Shame“ nach Hause. Wie beschreiben sie es im Song so treffend „Jedes Zeitgefühl verloren und lautes klingeln in den Ohren“. Damit kann sich heute Abend wohl fast jeder im Raum identifizieren. Als allerletzte Zugabe kommen die 3 Jungs für eine Akustiknummer ins Publikum. Es wird der Song „Mein Korn“ gespielt und mir kommt irgendwie spontan ein Tränchen aus dem Auge. Ein absolut würdiges Ende.

Die Schlange zur Garderobe ist lang, aber das Personal macht einen super Job. So kommen wir schon nach kurzer Zeit an unsere Jacke und beschließen spontan, noch weiterzuziehen.

Auf Kneipentour: Gun Club & Semtex:

Es geht nach St. Pauli in den Gun Club. (Link). Eine Punkerkneipe alter Schule. Ein kleiner ziemlich verrauchter Keller mit einer langen Bar und alten Sportbänken. Ein Laden, in dem noch richtiger guter Punk Rock läuft. Manchmal einfach vom Band. Teilweise werden auch Platten live aufgelegt. Zudem findet man hunderte Sticker auf den Möbeln und an den Wänden. Auch wir haben uns schon mit Stickern dort verewigt.

Es gibt bezahlbares Flaschenbier und sehr guten Mexikaner. So voll wie heute habe ich den Laden lange nicht gesehen. Aber es war ja auch ein guter Tag für Hamburg, nicht zuletzt „fußballtechnisch“. (Stuttgart vs St. Pauli: 0:1). Zudem hat es augenscheinlich einige Leute vom Molotow hergezogen. Ich brauch erstmal ein paar Minuten, um mich an den völlig verqualmten Laden zu gewöhnen. Aber man hat hier einfach immer eine gute Zeit, da man hier wirklich nur auf nette Leute trifft.

Danach geht es noch direkt nach nebenan ins Semtex (Link). Ebenfalls im Keller, allerdings mit deutlich mehr Platz. Wir trinken Sterni aus der Flasche und treffen eine Freundin vom Konzert wieder. Bevor ich mich versehe, finden wir uns erneut auf der Tanzfläche wieder. Der DJ weiß, was er tut! 🙂 Selbst einen kleinen Pogo kriegen wir nochmal gestartet. Es gibt sie noch. Diese kleinen Rückzugsorte, in denen man sich zuhause fühlt. Orte, an denen es nur darum geht, ob du menschlich in Ordnung bist und in denen es selbstverständlich ist, dass man sich mit Respekt behandelt (unabhängig von Geschlecht und Vorlieben). Ich kann beide Läden nur wärmstens empfehlen. Sie liegen etwas ab von der „Ballermann“ Reeperbahn und sind auch zum Glück eine ganze andere Welt.

Es ist eine dieser Nächte, in denen man sich wünscht, sie würden nie enden. Irgendwann zeigt der Zeiger auf 5 Uhr am Morgen und wir torkeln aus der Bar. Zwar auch alkoholtechnisch durchaus besoffen, aber in erster Linie betrunken vom Leben.

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