Das neue Album Freaks erscheint übrigens auch just am heutigen Konzert-Tag.
Zum ersten Mal von der guten Ina (so ihr bürgerlicher Name) habe ich ehrlich gesagt bei dem Song Du Knallst in mein Leben gehört. Ein Song von Udo Lindenberg, welchen er im Zuge seines zweiten MTV Unplugged Album zusammen mit ihr aufgenommen hat, bzw. die Show wurde live im Kampnagel zu Hamburg aufgezeichnet. Ich hab damals viel Udo gehört und mir das Album natürlich gekauft. Schon beim ersten hören ist sie mir aufgefallen mit ihrer fantastischen Stimme.
Am Ende des Songs empfahl dann der Herr Lindenberg mit Nachdruck, dass man die Dame unbedingt „auschecken“ sollte.
Die Gelegenheit kam dann mit dem ersten Album Attacke von Deine Cousine. Ein sowohl musikalisch, als auch thematisch sehr abwechslungsreiches und schönes Album. Wärmste Empfehlung von meiner Seite.
Dann hatte ich 2019 die Gelegenheit, das ganze zum ersten Mal live zu erleben. Damals gab es noch das Rockspektakel auf dem Hamburger Rathausmarkt – komplett umsonst. Sprich, es konnte jeder kommen und es hatten seit 1988 viele tolle Bands dort gespielt. Es war bereits dunkel, als die Cousine die Bühne betrat und ein absoluter musikalischer Orkan tobte nun über Hamburg. So gut die Songs auf Platte schon sind, live ist die ganze Band einfach eine Urgewalt.
Leider hat das Festival (sicherlich auch Corona bedingt) seit dem nie wieder stattgefunden.
Mit dem zweiten Album Ich bleib nicht hier wurde es dann nochmal deutlich persönlichere Themen, als auf den ersten Album. Ein Album, mit dem ich mich erstmal eine Zeit lang beschäftigen musste. Inzwischen mag ich es sehr.
Nach super tollen Konzert Besuchen von Deine Cousine 2022 in der Hamburger Markthalle und 2024 in der wunderbaren Hole44 in Berlin Neukölln, bin ich sehr gespannt was mich heute erwartet.
Das neue Album wird nach Feierabend erst einmal bei einem Bier auf dem Balkon gehört. Es klingt in teilen deutlich elektronischer als die Vorgänger und thematisch auch nicht ganz so komplex. Dafür kommt Inas Stimme super zur Geltung. Trotzdem bin ich nicht auf Anhieb ganz überzeugt, wie auch schon beim letzten Album.
Kurz am Rande, für alle die sich mit der Hamburger Club-Szene nicht so gut auskennen, die heutige Location, das Molotow ist eine echte Institution für alternative Musik und musste leider schon öfter umziehen. Dieses Mal ist die alte Location – am Nobistor – einem Hotel zum Opfer gefallen, welches neu gebaut werden soll. Allerdings konnte durch Protest und am Ende auch mit Hilfe der Stadt ein Umzug ins vorherige „Moondo“ erwirkt werden. Dieses liegt mitten auf der Reeperbahn. Sicherlich etwas schicker, als die alte Location, aber mir gefällt es.
Die Leute sind immer noch die gleichen und das hat diesen Club seit je her ausgemacht. Ein Club der sich sich sehr für ein gutes und soziales Miteinander einsetzt. Zudem hat die Anlage immer noch den alten fetten Sound.
Pünktlich um 20 Uhr geht es ohne Vorband los. Der Laden ist gut gefüllt, aber nach meiner Einschätzung nicht ganz ausverkauft. Es gab die Ticktes zunächst nur im Bundle zu bestellen mit dem neuen Album als CD und inklusive Autogramm auf dem Ticket.
Am heutigen Abend gibt es zumindest laut Homepage noch letzte Karten an der Abendkasse.
Ina startet direkt mit St. Pauli, meinem absoluten Lieblingssong von ihr. Ein Song der über die „Welt“ handelt, die sich quasi direkt vor der Haustür vom Club täglich abspielt. Es geht um das Leben im Viertel aus verschiedenen Perspektiven, unter anderem um die verflossenen Träume der Bewohner. Egal ob der Kellner, der so gerne Porno Star geworden wäre oder die Karaoke-Sängerin in der Thai Bar, die so gerne eine große Sängerin werden würde. Dann geht es um Wochenendtouristen, die hier all zu oft nur herkommen, um mal was „verruchtes“ sehen oder sogar erleben zu können. Auch die Möglichkeit des Fremdgehens im Rotlicht wird thematisiert. In der letzten Strophe spricht sie dann aus ihrer eigenen Sicht:
„Hab ich wiedermal ’nen Filmriss
Liegst du mit mir im Dreck
Und auch wenn’s manchmal Stress gibt
Hast du dein Herz am linken Fleck
Doch du stinkst aus deinen Poren
Wenn die Sonne auf dich scheint
Ich bin hier zwar nicht geboren
Aber hier bin ich daheim„
Da muss ich echt sagen, kommen mir als Hamburger immer fast die Tränen. Schöner kann man es einfach nicht beschreiben.
Insofern ein toller Anfang und es gibt noch drei weitere alte Songs zum Auftakt. Das Publikum ist heute mal in der Mehrheit weiblich. Wann, wenn nicht heute? Die Cousine strahlt in meinen Augen alles aus, was eine starke Frau ausmacht. Sie sagt, was sie denkt, lässt sich nichts gefallen und hat eine super positive und ansteckende Energie. Von der ersten Sekunde an hat sie uns fest in ihrem Griff.
Es gibt zudem einen wirklich schönen und gemütlichen Moshpit, der ab und zu auch mal bei einem ruhigen Song Pause macht.
Die Leute sind augenscheinlich für die Musik gekommen und müssen nicht auf Zwang bei jedem Song eine „Wall of Death“ aufreißen. Allgemein ist das heute ein sehr sozialer und liebevoller Abend. Die Leute passen aufeinander auf und ich hab das Gefühl, jeder/jede kann das Konzert genießen. Da kann man nur sagen „Girls to the Front“.
Mit den titelgebenden Freaks gibt es dann den ersten Song vom neuen Album, der mir Live richtig gut gefällt.
Nach und nach werden alle 12 Songs vom Album gespielt. Die funktionieren live definitiv und ich werde mir sie in den nächsten Tagen weiter intensiv anhören. Insbesondere der zuvor genannte Titeltrack, Allez Allez, 180 Grad und So Jung und so dumm haben richtiges Pogo Potenzial und dieses wird auch ausgeschöpft 😉
Zwischendurch streut die Band allerdings immer mal wieder alte Songs wie Scheiß auf Ironie oder Der Himmel ist ne Kneipe ein. Zweit genannter Song ist im Original mit der Sondaschule aufgenommen, dazu gibt es auch ein Video. Heute Abend holt sich Ina einen Fan auf die Bühne, ich meine sie hieß Nina.
Ina dann so zu ihr „Ina und Nina, was soll das schiefgehen?“. Nina, mit ihrem Feine Sahne Fischfilet Shirt singt dann Costas Part auch absolut sauber und strahlt über beide Backen
Sehr emotional wird es mit dem Liebes/Trennungssong Keine Liebe verdient. Eine Ballade die Inas Stimme perfekt zur Geltung bringt.
Während der Zugabe gibt es dann noch das erwähnte Allez Allez, Attacke und Bielefeld, Paris oder Madrid. Bei letztgenannten gibt es Standesgemäß eine Polonaise durch den ganzen Laden, angeführt von Ina.
Als letztes Lied singt sie anschließend noch das zuckersüße „Bring mich nachhause. Ein Song, über eine schöne Feiernacht und der Schwierigkeit, am Ende den Absprung zu finden:
„Ob es ein Leben nach dem Tod gibt
Oder da oben jemand wohnt
Egal, wir trinken auf die Ewigkeit
Und heulen gemeinsam Richtung Mond„
Ich bin mal wieder klitschnass und total glücklich. Es gibt genug Künstlerinnen und Künstler, die bei so einer Release-Show stumpf ihre neuen Songs runterrattern würden und dann „nichts wie weg hier“. Das ist heute überhaupt nicht der Fall.
Das Konzert geht bis ungefähr 21:40 Uhr und hat die gleiche Energie, wie ihre sonstigen Auftritte. Der einzige Unterschied ist, dass Ina ein bisschen mehr zwischendurch erzählt als sonst. Unter anderem von ihrer Unsicherheit, ob wir überhaupt Lust auf das neue Album haben. Einfach super nahbar und sympathisch. Es hat dem ganzen Abend einen sehr intimen Touch gegeben.
Kein Wunder, spielt die Band sonst inzwischen häufig in richtig großen Locations und selbst auf Festivals wie „Wacken“.
Man kann ihnen nur das beste wünschen. So viel Herz, Seele und Können gehören gehört und gefördert. Insofern ein Hoch auf Udo Lindenberg und bis zum nächsten Mal.