Logo von Freunde des Punk. Ein Totenkopf mit grünem Iro, von Stacheldraht umrandet

Riskee and the Ridicule in Hamburg 2025

Am heutigen Donnerstag den 9ten Oktober, geht es ins legendäre Logo für „Grime Punk“ aus Kent (England).

Es ist ein grauer aber zumindest relativ trockener Donnerstag in der Hafenstadt. Gegen 19:30 Uhr treffe ich bei meinen absoluten Lieblingsclub in Hamburg ein. Nur wenige Gehminuten entfernt vom Bahnhof Dammtor. Erste Amtshandlung nach der Garderobe ist dann erstmal, 1-2 gezapfte Biere der „Hausmarke“ (5,50 Euro für einen halben Liter) verhaften. Auch wenn das Bier ein bisschen seinen Zauber verloren hat, seitdem man mir gesteckt hat, dass es sich um Hasseröder handelt.

Trotzdem schmeckt der erste Alkohol der Woche fantastisch und ich schaue mir die Szenerie an. So richtig voll ist es leider heute Abend nicht in der selbst erklärten „heißesten Sauna“ von ganz Hamburg. Ein Teil vom Saal ist mit einen Vorhang verdeckt. Das ist leider hier schon ein deutliches Indiz für ausbleibende Zuschauer. Es passen laut Recherche ca. 450 Leute ins Logo. Ich würde schätzen, heute ist es vielleicht halb voll. Was natürlich für alle Besucher die da sind, auch angenehm ist, da es hier ansonsten gerne mal eng wie in einer Sardinenbüchse und heiß wie eben in einer Sauna werden kann. Zudem kommt man heute jederzeit gut zur Bar und zum Klo. Die Seele freut sich. Portemonnaie und Leber vergießen die eine oder andere Träne 😉

Augenscheinlich sind ein paar Briten mitgereist und das Publikum ist eine gute Mischung aus Jung und Alt, Mann und Frau. Ganz vorne fällt mir eine Gruppe junger Menschen auf, die einen sehr sympathischen Eindruck machen.

First Class Leg Space

Gegen 20 Uhr stellt sich dann heraus, dass es sich bei dieser Gruppe um die Vorband handelt. 😀

3 Männer (inklusive Sänger) und eine Frau heizen uns ordentlich ein, schneller energetischer Punk Rock mit Hardcore Elementen. Die Texte sind in englischer Sprache gehalten. Ein paar Fans haben sie auch mitgebracht. Weit hatten die es nicht, da die Band aus Hamburg kommt. Da ich die Band vorher nicht kannte kann ich zu den Songs selbst leider nicht wirklich was sagen.

Auf jeden Fall machen sie richtig gut Stimmung und ballern uns eine halbe Stunde ordentlich was um die Ohren.

Riskee and the Ridicule

Kurz vor 21 Uhr betreten dann die Briten die Bühne mit „My Name„. Ein absoluter Banger vom aktuellen Album Platinum Statue mit einer klaren Kampfansage im Refrain:

You, you, you, you better watch your mouth (watch your mouth)
I’ll come to your show and I will bang you out (you out)
I’m the fucking landlord, this is my house
I am not normal, I am something else

Ich lass mich nicht lange bitten und suche in der ersten Reihe „Verbündete“ für Pogo und Eskalation. Problem dabei, es sind wie schon erwähnt nicht so viele Leute da. Allerdings haben die Menschen die da sind, dafür zum Glück richtig Energie mitgebracht. Ich verbrüdere ich mich mit einem Briten, Typ Hooligan in seinen späten 40ern. Der beweist seine Textsicherheit und freut sich über einen „Tanzpartner“. Wir liegen uns schon nach wenigen Songs in den Armen und er zeigt mir ein Tattoo der Band auf seinem Arm.

Ich habe Riskee and the Ridicule auf dem Rebellion Festival 2024 in Blackpool zum ersten Mal gesehen und bin seitdem ein begeisterter Hörer ihrer Musik. Die Text sind ziemlich düster. Es geht um das Leben in der „Working Class“, Mental Health, Wut auf die Politik und gegen Fremdenfeindlichkeit.

Die Strophen sind meistens ziemlich schnell gerappt und die Refrains entweder gesungen, oder auch auch mal geschrien. Dies gepaart mit seinem coolen Kent Dialekt/Slang und seiner kraftvollen Band ergibt ein beeindruckendes Klangbild, welches nachhaltig im Kopf bleibt. Noch mehr Spaß macht es, wenn man wie ich die Texte ganz gut kennt. Die sind nämlich ansonsten gerade als nicht Muttersprachler durchaus schwer zu verstehen, nicht zuletzt aufgrund der Geschwindigkeit des Vortrages.

In der guten Stunde Show gibt es eine bunte Mischung an Songs zu hören. Hauptsächlich aus den Alben Blame Culture, Body Bag your scene und dem zuvor schon erwähnten Platinum Statue.

Riskee hat eine unglaublich intensive Bühnenpräsenz. Er scheint konstant unter Strom zu stehen und schaut uns mit einem Blick an der ganz klar sagt „Ich habe eine scheiß Wut und alles was ich hier sage, ist auch so gemeint“. Auch bewegende Ansagen hat er drauf. „This next song ist about beeing a DIY-Punk Band touring the world, not making a lot of money“. Es ist die Einleitung für einen meiner absoluten Lieblingssongs Molotow Cocktails. Auch hier wird wieder deutlich, was für eine einzigartige Stimme der Mann hat. Es geht los mit einem fein gesungenem Refrain. Dann kommen die ausnahmsweise mal eher langsam gesprochenen Strophen.

Einen weiteren ziemlich bewegenden Moment schenkt uns der Song „Giving up„. Riskee spricht das Publikum mit seinen Zeilen quasi direkt an :

Do you feel like giving up. Like you ain’t going nowhere I been there, I been there. „.

Ein klarer Appell, nicht aufzugeben, egal wo man gerade im Leben steht. Das gibt Kraft, gerade weil es von jemanden kommt, der optisch sowas von gezeichnet vom Leben aussieht. Wieder mal zeigt sich, dass Äußerlichkeiten überhaupt nichts über den Charakter eines Menschen aussagen. Mehr als genug Leute würden wohl die Straßenseite wechseln, wenn sie Riskee zufällig treffen würden. Boxerschnitt, schwerstens tätowiert, Adidas Trainingshose und der Feierei mit Alkohol alles andere als abgeneigt. Wenn man sich aber mit seiner Musik beschäftigt, zeichnet sich eine verletzte, trotzdem starke, manchmal vielleicht auch fragile Seele ab. Mit einer großen Empathie für Schwächere bzw. in der Gesellschaft benachteiligte Menschen und für Leute, die „anders sind“ als der Otto Normal Verbraucher.

Auch zeigt sich heute, für ein gutes Konzert brauchst du nicht viele Fans, sondern die richtigen. Ich spüre eine Verbindung zwischen Band und Zuschauern, die man einfach nur mit Liebe beschreiben kann. Prominenten Besuch erspähe ich in Person der „Harbour Rebels„, eine Hamburger Punk-Band mit Sängerin und auch die haben ein strahlendes Lächeln auf den Lippen.

Natürlich tut es mir im Herzen weh, wenn Bands extra aus dem Ausland anreisen und dann nicht vor ausverkauftem Haus spielen. Das ist auch finanziell gesehen einfach scheiße. Trotzdem ist es eine Qualität, dann als Band so abzureißen, als würde man vor Tausenden von Leuten spielen. In Blackpool haben sie vor Tausenden von Leuten gespielt und sind trotzdem heute keinen bisschen weniger motiviert, die Hütte zum brennen zu bringen.

Am Ende gibt es dann sogar noch eine Zugabe „Nobody likes us„. Noch einmal zusammen durch den Raum springen und wildfremde Personen in den Arm nehmen. Einfach weil man musikalisch auf einer Wellenlänge ist und sich im Geiste verbunden fühlt. Was gibt es schöneres?

Ich kann allen nur ans Herz legen, sich diese Band anzuhören und alle ihre Alben zu besorgen. Bitte nicht einfach nur bei blöd Spotify streamen, sondern kaufen. Das haben sich die Jungs einfach verdient. Beim Bassisten kaufe ich mir noch ein Shirt, obwohl ich mir eigentlich fest vorgenommen hatte, weniger Shirts zu kaufen. Mein ganzer Schrank ist voll mit Klamotten von Bands und ich weiß gar nicht mehr, wohin damit. Allerdings trage ich – zumindest privat – fast jeden Tag eins. Andere Leute sammeln Briefmarken, ich dann doch lieber Klamotten. Auch, um auf der Arbeit mit Bandshirts rum zu laufen, die „keine Sau“ kennt. Und die stirnrunzelnden Blicke der Kollegen nehme ich einfach als „Trophäe“.

Ein großer Dank noch ans Logo, welches so vielen kleinen und guten Bands immer wieder ein Bühne gibt!

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